Zittau
Im Dunkel des Februarabends verlasse ich mein Hotel in Zittau und gehe auf die Suche nach einem Restaurant. Die nächtlichen Straßen sind verlassen. Nur aus wenigen Fenstern scheint Licht. Auch die Straßenlaternen sind eher fade. In einem Innenhof entdecke ich ein kleines Restaurant, aber es ist voll und sie verweisen mich zum Marktplatz.
Als ich den Innenhof in diese Richtung verlasse hallt fernes Geschrei durch die leeren Straßen. Es wird lauter je näher ich dem klassizistischen Rathaus mit seinem angestrahlten, italienisch anmutenden Campanile komme. Heute ist Rosenmontag und ich denke an eine Faschingsveranstaltung. Aber es hat nichts mit Spaß zu tun. Auf dem Markt haben sich ein paar Demonstranten versammelt. Eine Montagsdemonstration gegen Rechts, gegen die zunehmende Akzeptanz der rechtsradikalen Partei AfD. Die Redner haben es über Gesprächsbereitschaft und Toleranz. Die maximal hundert Zuhörer sind umgeben von einem scheinbar genauso großen Aufgebot an Polizei. Ein paar provozierende Störer versuchen den Ring an Ordnungshütern zu durchbrechen. Es ist eher ein Katz- und Mausspiel. Sie rennen Richtung Demonstration und wenn ein Polizist in ihre Richtung rennt machen sie sich aus dem Staub.
Die Atmosphäre ist angespannt. Vielleicht ist das der Grund dass die Straßen so leer sind. Auf der Rückseite des Rathauses spielt eine Bläsergruppe kirchliche Musik. Zuhörer gibt es kaum. Ich ziehe mich zurück zum benachbarten Platz, der sich einfach Neustadt nennt. Die Gaststätte „zum alten Sack“, die eigentlich besser zu mir gepasst hätte, ist leider geschlossen. Ein Stückchen weiter ist der goldene Stern offen.
Während ich mein Essen bestelle unterhalten sich die Gäste am Nachbartisch über die „ausweglose Situation“. Im Restaurant hier kann man den Wessi immer noch deutlich vom Ossi unterscheiden. Der Ossi hängt seine Jacke immer noch voll Vertrauen an einen Kleiderständer. Ein Wessi ist von zu Haus gewöhnt dass seine Jacke oder zumindest ihr Inhalt geklaut wird und behält die Jacke daher lieber bei sich. Diese Art von Kriminalität war in der kommunistischen DDR vor der Wiedervereinigung praktisch unbekannt.
Ankunft im Bahnhof Oybin
Zittau hat eine wechselvolle Geschichte, die voll war von Katastrophen und Kriegen. Die Stadt im Grenzgebiet zwischen Böhmen und der brandenburgischen Oberlausitz lag an einer wichtigen Handelsroute, die Prag mit dem Ostseegebiet verband. Da damit ständige Besitzerwechsel zwischen den verschiedenen adligen Herrschern verbunden waren wurde 1346 zusammen mit den Städten Lauban, Bautzen, Görlitz, Löbau und Kamenz der Sechsstädtebund gegründet. Durch Tuchproduktion, Handel und Bierbrauerei war die Stadt zu Wohlstand gekommen und wurde deshalb „die Reiche“ genannt. In dieser Zeit gehörte die Stadt unter Kaiser Karl IV zu Böhmen. Karl förderte die Stadt und befestigte den Übergang der Handelsstraße über das Zittauer Gebirge mit den Burgen Oybin und Karlsfried.
Der Sandsteinfels mit dem Kloster und Burg Oybin
Südlich von Zittau erhebt sich das Zittauer Gebirge. Das bis zu 792 m hohe Wirrwarr von Sandsteinfelsen ist das kleinste Gebirge Deutschlands. Zahlreiche wildromantische Felsformationen sorgten dafür dass das Gebiet schon früh von Touristen besucht wurde. Kaiser Karl IV war im 14. Jahrhundert wohl der erste. Die ehemalige Raubritterburg Oybin sollte nämlich nicht nur die Handelsstraße von Prag zur Ostsee sichern sondern er ließ sie auch zu einem Alterssitz für sich ausbauen. Die Anlage nimmt die gesamte Fläche des Plateaus eines 500 m hohen Sandsteinfelsens ein.
Von dem kleinen und jetzt im Winter gottverlassenen Kurort Oybin steigt man über Treppen durch die Ritterschlucht bis zum Tor, das den Eingang der Burg bildet. Durch die steilen Felsabstürze des Tafelbergs ist ein anderer Zugang kaum möglich. Früher mussten Angreifer hier drei Tore überwinden wenn sie ins Burginnere gelangen wollten. Die beiden oberen sind bewahrt geblieben. Als ich am Kartenschalter ankomme stellt sich raus dass in wenigen Minuten eine Burgführung beginnt. Trotz der schneidenden Kälte folgt eine kleine Gruppe unverdrossen für mehr als zwei Stunden der enthusiastischen Führerin. Dabei fällt wieder auf wie ruhig und wohlerzogen hier viele Kinder sind. Ohne Klagen lassen sie die lange Tour über sich ergehen.
Karl IV ließ sich hier oben nicht alleine eine Schutzburg und einen Palast bauen. Aus Prag brachte er auch den Orden der Cölestiner mit. Für die Mönche wurde sogleich mit dem Bau eines Klosters inklusive gotischer Kathedrale begonnen. Maßgeblich am Bau beteiligt war die Prager Dombauhütte, die auch für den Bau des Veitsdoms in Prag verantwortlich war. Die südliche Mauer der Kathedrale wurde aus dem Sandsteinfelsen des Oybin gehackt. Auf der Nordseite schloss sich ein doppelstöckiger Kreuzgang und eine Bibliothek an. Die hier ansässigen Mönche waren im ganzen Reich anerkannte Künstler im Verfassen und Kopieren von Schriften, Kalligraphie und Buchbinden.
Die Ruine der Kathedrale des Klosters
Karl selbst hat seinen Ruhesitz nie bewohnt. In den Anfängen der Reformation entfachten die Hussiten, die Anhänger des böhmischen Reformators Jan Hus, nach dessen Tod auf dem Scheiterhaufen einen Aufstand, der insbesondere Böhmen für viele Jahre in Schrecken versetzte. In diesen Hussitenkriegen wurde der Prager Domschatz hier zeitweise gelagert. Die Burg erfüllte ihren Zweck und widerstand allen Angriffen.
Aber die Reformation setzte sich durch Das Kloster wurde aufgelöst. 1560 wurde die Bibliothek und die Kirchenschätze nach Prag zurück gebracht. Als im Jahr 1577 durch Blitzeinschlag ein Brand entstand war die Burg wahrscheinlich schon nicht mehr bewohnt. Allerdings muss es noch ein Pulvermagazin gegeben haben, das durch den Brand mitsamt einem Teil der Gebäude in die Luft flog. Weitere Zerstörungen erfolgten als mit einem Felsabbruch auch die Nordmauer der Klosterbibliothek in die Tiefe gerissen wurde.
Danach war die Burg verlassen und wurde von den Bewohnern der Umgebung bei Bauarbeiten als Steinbruch verwendet. Im 18. Jahrhundert wurde das ganze Gebiet von den Künstlern der Romantik entdeckt. Riesengebirgswanderungen wurden populär. Maler wie beispielsweise Johann Alexander Thiele, Adrian Zingg, Johann Philipp, Veith Carl Gustav Carus, Ernst Ferdinand Oehme, Carl Blechen und Adrian Ludwig Richter benutzten den Oybin als Motiv. Ihr berühmtester Vertreter war Caspar David Friedrich, der 1810 auf einer Wanderung durch das Riesengebirge hier Station machte. Anlässlich seines 250. Geburtstags in diesem Jahr haben seine lange Zeit vergessenen Darstellungen in vielen Ausstellungen neue Aufmerksamkeit erregt.
Auch Forscher nahmen sich des Oybin an. Schon 1879 wurde für die Fundstücke ein Museum gegründet. Heute bildet das Labyrinth der Katakomben unter dem früheren Palast der Burg einen abenteuerlichen Museumsstandort.
Baum im Felsengewirr des Oybin
Viele Schätze der Burg waren lange Zeit vor den Augen dieser Besucher verborgen. Eine meterdicke Schicht von Schutt und Erde hat den Boden bedeckt. Erst 1992 wurde mit Aufräumarbeiten und Ausgrabungen begonnen. Da es auf dem Fels keine Quellen gab musste alles Regenwasser in Zisternen gesammelt werden. Bei den Ausgrabungen wurden nicht nur die Zisternen freigelegt, sondern auch die Wasserleitungen die das Wasser von den Dächern dorthin geleitet haben.
Ein Kind wirft ein Steinchen in eine der Zisternen und beobachtet verzückt die Wellenkreise, die sich von der Einschlagsstelle über das von Pflanzenresten bedeckte, schwarze Wasser ausbreiten. Die Mutter tadelt die Kleine: „Wenn das jeder machen würde wäre dieser Brunnen wohl irgendwann voll“. Ich unterstütze das Kind denn ich würde es ja gerne selbst auch machen….
Der Umgang um die ausgehackte Kathedrale
Nachdem das Wasser durch den porösen Sandstein der einseitig ausgehackten Kirchenmauer in die Kirche eindrang, wurde der Fels auch außerhalb der Mauer weggebrochen. Heute ergibt das einen abenteuerlichen Rundgang um das Felsplateau, von dem man hervorragende Ausblicke auf die umliegenden Berge und das Tal mit der Schmalspurbahn hat, die die Besucher nach Oybin bringt. Der Weg erfordert enge Passagen durch Spalten im Sandstein und führt vorbei an verkümmerten Bäumen, die sich wie mit Krallen in kaum sichtbare Ritzen des Felsen geklammert haben.
Eine der wenigen ebenen Flächen des Geländes ist ein Friedhof. Er wird noch immer von der Gemeinde in Oybin genutzt. Die älteren Gräber nutzen die Grotten und Vertiefungen im Fels des Sandsteins. Ich entdecke die verwitterte, aus dem Fels gehackte Statue des Grabes eines Ritters aus dem Jahr 1550. Viele der Gräber sind schon mehr als hundert Jahre alt und oft von rostigen, schmiedeeisernen Geländern umgeben.
Der Friedhof auf dem Oybin mit dem Grab des Ritters Peter von Debschitz aus 1550
Im Hintergrund die Ruine der Kathedrale und die geschlossene Burggaststätte
\Beim Friedhof eine Gaststätte, die aussieht als ob sie schon vor 200 Jahren zu Friedrich’s Zeiten hier stond. Sie ist wegen Renovierung geschlossen. Ich ziehe mich in eine Felsspalte zurück um mich einigermaßen vom schneidenden Wind geschützt mit dem Tee aus meiner Thermoskanne auf zu wärmen und mein mitgebrachtes Picknick zu essen.
Ein Teil des Prager Domschatzes wurde auch in der gut befestigten Stadt Zittau selbst gelagert. Mehrfach mussten die Mauern dem Ansturm der Hussiten in den Kriegen zwischen 1424 und 1434 standhalten. Durch den Bürgerkrieg in Prag und der Lagerung des Domschatz wurde das Franziskanerkloster in Zittau zum Zentrum des katholischen Glaubens in Böhmen. Es ist heute ein faszinierendes Museum zur Geschichte der Stadt.
Gewölbe im Franziskanerkloster
Im 16. Jahrhundert setzte sich die Reformation langsam durch. In katholischen Kirchen ist war es Sitte, in der Fastenzeit vor Ostern den Altar durch ein sogenanntes Fastentuch zu bedecken. Trotz der Reformation wurde dieser Brauch in Sachsen beibehalten. Eines der Fastentücher wurde im 2. Weltkrieg aus Dresden ausgelagert so dass es vor dem Verbrennen beim Feuersturm des Bombardements von 1945 gerettet wurde. In Oybin wurde es von russischen Soldaten entdeckt, die es in Stücke geschnitten als Abdeckung für ihre Sauna gebraucht haben. Was erscheint wie ein Unglück war ein Glücksfall: Wäre es von einem der vielen Kunstkenner unter den russischen Offizieren entdeckt worden, läge es wohl jetzt irgendwo in einem Depot in Moskau oder Sankt Petersburg oder im Tresor eines Oligarchen. So aber wurde die Stücke wieder eingesammelt und hinter einem Regal der Bibliothek des Franziskanerklosters in Zittau gelagert. Erst nach 1989 wurde das Tuch wiederentdeckt und restauriert. Es wird jetzt in der Kirche zum heiligen Kreuz ausgestellt. Es soll nach dem Teppich von Bayeux das zweitgrößte gewebte Kunstwerk der Welt sein.
Die Kirche des Franziskanerklosters
Dabei ist die Kirche an sich einmalig. Ihre Halle wird von einem einzigen zentralen Pfeiler getragen. Kanonenkugeln in der Wand erinnern an den Beschuss durch die Osterreicher. Und das Gebäude ist umgeben von einem atmosphärischen Friedhof auf dem rostige Geländer Moos- und Efeu überwachsene Grabsteine beschützen.
Friedhof und Kirche zum Heiligen Kreuz, Aufbewahrungsort des Fastentuchs
Während des 30 jährigen Krieges wurde Zittau dann ein Teil Sachsens. Eine neue Glanzzeit begann nach dem Ende des Krieges. Neubauten waren sowieso ständig nötig da die Stadt regelmäßig von Bränden heimgesucht wurde, die jedes Mal einen Großteil des Innenstadt verwüsteten. Die Neubauten im Stil des Dresdner Barocks demonstrierten den Reichtum der Stadt.
Dann wurde Zittau während des 7 jährigen Krieges Zittau von preußischen Truppen besetzt. Daraufhin bombardierten die Österreicher die strategisch wichtige Stadt. Drei Viertel aller Gebäude wurden zerstört, über 800 Bürger starben. Es war das Ende von „Zittau, der Reichen“.
Es dauerte viele Jahrzehnte bis die zerstörten Teile der Innenstadt wieder aufgebaut wurden. Der Mauerring wurde abgerissen und durch Parkanlagen ersetzt. Die Johanniskirche wurde nach Plänen des berühmten preußischen Baumeisters Schinkel neu erbaut. Am Markt entstand das klassizistisches Rathaus, das auch eine Stadt in Oberitalien zieren könnte. Zittau wandelte sich zur Industriestadt.
Wesentlich zu dieser Entwicklung hat der schon 1848 erfolgte Anschluss der Stadt nach Westen an das sächsische Eisenbahnnetz beigetragen. Eine Erweiterung nach Süden wurde zunächst durch die k. u. k. österreichisch-ungarische Regierung verhindert. 1859 wurde dann doch eine Bahnstrecke ins böhmische Liberec eröffnet. Hierfür musste ein eindrucksvolles Viadukt über die Neisse errichtet werden. Auf einer Länge von 745 m überspannt diese Brücke mit 39 Bögen das Neissetal. Sie zählt zu den ältesten und noch immer längsten Bahnbrücken Deutschlands.
Durch die Grundwasserabsenkung verursacht durch den benachbarten polnischen Braunkohletagebau Turów hat sich das Viadukt zwischen 1990 und 2002 gleichmäßig auf gesamter Länge um acht Zentimeter abgesenkt. Es muss daher permanent beobachtet werden. Trotzdem darf die Brücke mit 90 km/h befahren werden. Es spricht für die Qualität damaliger Baumeister dass eine Brücke, die für viel leichtere Züge konstruiert wurde, heute noch immer den modernen Anforderungen entspricht während vergleichbare moderne Brücken oft schon nach wenigen Jahrzehnten baufällig sind.
Mit der Erweiterung des Bahnnetzes erhielt Zittau 1859 auch einen modernen Bahnhof. Auch dieses Gebäude steht noch und wurde selbst renoviert. Leider ist die Deutsche Bahn nicht in der Lage das schöne Gebäude auch entsprechend zu vermarkten. Obwohl die Bahnverbindungen nach Zittau und der vor dem Bahnhof liegende Bus- und Schmalspurbahnhof rege genutzt werden hat man es noch nicht einmal geschafft im Bahnhof dauerhaft einen Kiosk oder einen Imbissstand als Mieter anzuziehen.
Hauptbahnhof Zittau. Die Schmalspurbahn fährt vor dem Bahnhof ab
Dabei ist der Bahnhof Zittau noch ein leuchtendes Vorbild im Vergleich zu den Graffiti- überzogenen, verlassenen und vernagelten Bahnhöfen der Linien die Züge nach Zittau bringen sollen.
Früher war Zittau ein wichtiger Bahnknotenpunkt. Dazu gehörte auch ein Bahnbetriebswerk, in dem Lokomotiven geparkt und gewartet wurden. Die Anlagen sind noch vorhanden. Über eine Drehscheibe war ein Ringlokschuppens zugänglich, in dem die Maschinen standen. Er ist eine Ruine. Das Dach ist eingestürzt. Innen sieht man noch historische Fahrzeuge. Die anderen sind jetzt im Freien geparkt, wo sie dem Wetter und den Vandalen noch mehr ausgesetzt sind. Dabei wäre die gesamte Anlage zusammen mit der Schmalspurbahn und dem historischen Bahnhof, in dem noch eine zweite verrostete Drehscheibe am Bahnsteig langsam überwuchert wird, ein idealer Standort für ein Museum.
Um abgelegenere Gebiete anzuschließen wurden in Sachsen zusätzlich Schmalspurbahnen angelegt. Schon 1884 wurde eine dieser Bahnen von Zittau nach Osten, Hermsdorf gebaut. Im Jahr 1890 erfolgte der Bau einer Bahn Richtung Zittauer Gebirge.
Die Bahnstrecke verläuft in einem weiten Bogen rund um die Altstadt. Dazu muss hinter dem Bahnhof eine in Deutschland mittlerweile einmalige Kreuzung von Schmalspur und Normalspur überquert werden. Ein Stückchen weiter läuft die Bahn dann wieder unter der großen Neissebrücke durch.
Es gibt noch weitere außergewöhnliche Merkmale dieser Bahnstrecke. Im Zittauer Süden überquert die Bahn den Fluss Mandau. Mitten auf dieser Brücke wird gleichzeitig auch noch die Straße auf ihrer eigenen Brücke überquert.
Ein Stückchen weiter kann man am Bahnhof Zittau Vorstadt der Schmalspurbahn noch sehen welche Bedeutung die Bahn für die Stadt hatte. Ungewöhnlich für eine Schmalspurbahn gibt es hier sogar Unterführungen, die die Fahrgäste sicher zum Bahnsteig bringen sollten. Heute benutzt sie keiner mehr. Man hat einen Fußweg als Zugang für die Fahrgäste angelegt.
Im Bahnhof hat man zur Demonstration einen Güterzug ausgestellt. Die normalspurigen Güterwagen wurden auf sogenannten Rollwagen transportiert. Im Pflaster sind noch die Reste der Gleise zu erkennen, auf denen die Güterwagen in die dahinter gelegene, noch im Betrieb befindliche Gießerei befördert wurden. Heute findet nicht nur kein Güterverkehr mehr statt: im Gegenteil müssen die Fahrzeuge der Schmalspurbahn, die früher zur Untersuchung mit einer Rampe auf einen Normalspurwagen verladen wurden, heute per Schwertransport auf der Straße in die Untersuchungswerkstatt gebracht werden.
Weiter fast weltweit außergewöhnlich war dass diese Schmalspurbahn von hier bis Bertsdorf zweigleisig angelegt war. In Bertsdorf verzweigt sich die Bahn in zwei kurze Abschnitte nach Kurort Oybin und Jonsdorf. Es gab so viel Ausflugsverkehr in die Berge dass sogar eine Elektrifizierung der Bahn vorgeschlagen wurde.
An den Pfeilern der Brücke, die sich in weitem Bogen über den langgezogen im Tal liegenden Bahnhof Olbersdorf schwingt, ist deutlich zu sehen dass die Strecke hier viel breiter war. Auf den Pfeilern hatte noch ein zweiter Fahrweg Platz.
Um ein Foto des Zuges auf der Brücke zu nehmen muss ich unten zwischen den Häusern des Dorfs warten. Viele sind baufällig oder verlassen, manche schon abgerissen. Es wird aber auch renoviert. Obwohl jeder sehr freundlich ist, fühle ich mich beobachtet. Ein Herumlungerer mit einer Kamera. Aber niemand sagt was. Vor 1990 wäre das anders gewesen. Da hätte man sich erst kurz vor der Vorbeifahrt des Zuges und nur ganz kurz unter der Brücke postieren können. Und hätte schnell verschwinden müssen bevor die Transportpolizei ankommt und den Westler verhaftet, der die strategisch wichtige, moderne Eisenbahntechnologie der DDR ausspionieren will.
Der umfangreiche Verkehr auf der Strecke hat auch dazu geführt dass man sogar in den Bahnhöfen Bertsdorf, Zittau Süd und Jonsdorf Stellwerke mit fernbedienten Weichen installiert hat. Heute ist nur noch das Stellwerk in Bertsdorf in Betrieb. In Oybin und Jonsdorf muss die Schaffnerin beim Umsetzen der Lokomotiven ans andere Ende des Zuges die Weichen von Hand umstellen. Das erfordert weite Wege bis ans Ende der Bahnhofs, die auf den Trittstufen der Lokomotive zurückgelegt werden.
Der Kontrast zum bedauernswerten Zustand der Bahnanlagen der Deutschen Bahn kann nicht größer sein. Bei der von der SOEG betriebenen Schmalspurstrecke fällt auf wie liebevoll alles gepflegt ist und welcher Service geboten wird. In Zittau gibt es einen bemannten Fahrkartenverkauf. Im Zug wird ein Speisewagen mitgeführt, in dem auch die meisten der Fahrgäste die knapp einstündige Fahrt nach Kurort Oybin verbringen.
Der Bahnhof Bertsdorf ist renoviert und man kann dort Ferienwohnungen mieten. Auch im Bahnhof Oybin werden im Sommer Waggons abgestellt, die als Ferienwohnungen vermietet werden. Die Warteräume in den Bahnhöfen sind geöffnet sodass sich die Reisenden etwas vom kalten Wind schützen können. Die Toilettengebäude, die es früher in Deutschland an jedem Bahnhof gab, sind geöffnet, sauber und gratis. In Bertsdorf hat man das Interieur des original DDR Fahrkartenbüros erhalten. In Oybin kann man sich in der Bahnhofsgaststätte aufwärmen bis der Zug abfährt. Auch die Bahnsteigüberdachungen sind liebevoll restauriert. Dazu gehört in Zittau und Bertsdorf eine einmalige Giebelüberdachung die die Fahrgäste beim Übergang über die Gleise zum Bahnsteig beschützen soll.
Eine der Attraktionen des Zittauer Schmalspurnetzes ist, dass hier täglich zwei, im Sommer zeitweise drei Züge unterwegs sind. Neben einem Zug der viermal täglich zwischen Zittau und Oybin hin und her fährt, gibt es eine zweite Garnitur, die nach der Fahrt von Zittau nach Bertsdorf von dort als „Gebirgspendel“ zwischen Bertsdorf – Oybin und Jonsdorf hin und her fährt. Aber als ich am Morgen zum Bahnhof in Zittau komme um mit dem Dampfzug nach Oybin zu fahren, steht ein Zug mit einer Diesellok am Bahnsteig. Der erste Zug und der Gebirgspendel fahren nicht mit einer Dampflok. Ich lasse den Dieselzug abfahren und warte auf den Dampfzug.
In der Umgebung der Stadt Zittau findet man jede Menge von Industrieruinen. Beim Bahnhof Zittau Vorstadt gab es ein Braukohletagebaugebiet, von dem heute nur der Olbersdorfer See ein Zeugnis ablegt. Wäre die Wiedervereinigung Deutschlands nicht schon im Jahr 1989 gekommen hätte dieser Bergbau wahrscheinlich das Ende der Bahn bedeutet da man den Tagbau nach Westen bis dorthin erweitern wollte wo die Bahnstrecke verläuft. Nach der Wiedervereinigung wurde in diesem Revier der unwirtschaftliche Abbau eingestellt.
Auch beim Bahnhof Olberndorf-Niederdorf, wo heute der Zug nur bei Bedarf hält, ist ein verlassener Industriebetrieb. Das Bahnhofsgebäude wurde offenbar an Privat verkauft. Es ist das einzige an der ganzen Strecke in einem bedauernswerten Zustand.
Die Ruinen der früheren Phänomen Werke, später VEB Robur
Hinter dem Bahnhof, auf dem Weg in die Stadt, liegen die Ruinen eines großen verlassenen Industrieareals. Mit der Industrialisierung wurde Zittau neben der immer noch florierenden Textilindustrie auch der Sitz der Phänomen-Fahrradwerke. Die Phänomen Werke stellten später dann auch Motorräder, Autos und Nutzfahrzeuge her. Neben dem Braunkohletagebau gab es noch metallverarbeitende Fabriken. Durch die Grenzlage, immerhin hatte das kaiserliche deutsche Reich noch 1866 gegen den Kaiser von Österreich Krieg geführt, sah man es 1869 auch als notwendig an ein Kasernenviertel anzulegen. Auch für diese Gebäude sucht man heute noch einen Verwendungszweck.
Im Jahr 1933 teilte Zittau das Schicksal des restlichen Deutschlands. Mit der Machtübernahme Hitlers wurden auch hier Andersdenkende diffamiert, entlassen, terrorisiert, eingesperrt, enteignet, entrechtet und oft umgebracht. Das kulturhistorische Museum der Stadt im ehemaligen Franziskanerkloster zeigt eine faszinierende Ausstellung zum 90 jährigen Jubiläum dieser Ereignisse. Die Schritte, die von den Nazis zur Machtübernahme in der Stadt vorgenommen wurden, werden minutiös dokumentiert. Das Schicksal ausgewählter Opfer und Täter wird biografisch dargestellt.
Im Licht des erneut aufkommenden Rechtsextremismus in Deutschland und der dagegen organisierten Protestveranstaltungen ist diese befristete Ausstellung von hoher politischer Aktualität und Brisanz. Obwohl sie eher dokumentarisch angelegt ist und kaum Wertgegenstände zeigt wird der Raum streng überwacht. Während ich mich mit dem Studium der vielen Texte beschäftige läuft eine Familie mit Kindern durch den Raum. „Wir gehen hier nur schnell durch“, sagen sie zu dem Aufpasser. Dabei wird hier extrem lehrreich gezeigt wie schnell es einer entschlossenen, demokratisch gewählten Gruppe von Extremen gelingen kann eine brutale Diktatur zu schaffen.
In Schritten folgt die Ausstellung den Ereignissen in Zittau vom 1. Februar 1933 bis zum 31. Januar 1934. Die Reichstagswahl am 31. Juli 1932 hatte keine deutlichen Mehrheiten ergeben. In einer folgenden Wahl im September hatte die NSDAP sogar 4.2% an Stimmen verloren. Aber sämtliche Versuche eine Regierung zu bilden scheiterten. Trotzdem wurde am 30. Januar 1933 Hitler vom Reichspräsidenten Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Der am 28. Februar 1933 inszenierte Brand des Reichstags wurde der Anlass für eine Verordnung um große Teile der Verfassung der Weimarer Republik außer Kraft zu setzten. Auch in Zittau erfolgte daraufhin am 1. März 1933 eine Verhaftungswelle, die Andersdenkende von der am 5. März erfolgenden, erneuten Reichstagswahl ausschließen sollte. Dadurch konnte die NSDAP ihr Resultat auf 43.9% verbessern während insbesondere die SPD und KPD an Stimmen verloren.
Schon am 8. März erfolgte am Zittauer Neustadt eine Bücherverbrennung, bei der auch symbolisch die schwarz-rot-goldene Flagge der Weimarer Republik verbrannt wurde. Stattdessen wurden gleichberechtigt am 12. März 1933 die imperiale deutsche Flagge in Schwarz-weiß-rot und die Hakenkreuzflagge gehisst. Dadurch sollte die Nationalismus der Bevölkerung verstärkt werden. Am 8. März 1933 war auf Basis der „Verordnung zum Schutz von Reich und Staat“ in Sachsen ein SA Obergruppenführer an die Macht gekommen. Er ersetzte nicht nur die Minister durch NSDAP Mitglieder sondern ernannte auch Hilfspolizisten aus den Reihen der SA. Noch am selben Tag kam es zu Willkürmaßnahmen wie einer Razzia in der links-orientierten Volksbuchhandlung. Die Buchhandlung wurde dann wie auch andere Gebäude in ein SA Gefängnis umgewandelt da in den normalen Gefängnissen nicht genug Platz für alle jene war, die man unter „Schutzhaft“ genommen hatte.
Um den Sieg bei den Wahlen vom 5. März zu feiern wurden danach Kundgebungen und Fackelzüge veranstaltet. In einer Nacht- und Nebelaktion wurde schon am 10. März die Friedrich-Ebert Straße in Adolf-Hitler Straße umbenannt. Die KPD war Ende Februar 1933 verboten worden, im Juni folgte die SPD. Ab 26. März wurden erste Lager, in Zittau das Schloss Hainewalde, als Vorstufe der Konzentrationslager eingerichtet, in die die Schutzhäftlinge umziehen mussten. Diese Lager waren vorläufig zur Umerziehung mit Hilfe von politischen Schulungsabenden, körperlicher Arbeit, Singen von NS Liedern und dem Lesen von Hitler’s „Mein Kampf“ gedacht. Die Inhaftierten waren dabei der Willkür und den Schikanen des Wachpersonals ausgesetzt. So musste ein Häftling mit seiner Zahnbürste täglich die Toilette des Lagerkommandanten sauber machen.
Am 29. März wurden aufgrund der öffentlichen Sicherheit alle jüdischen Geschäfte in Zittau geschlossen. Wohnungen von Verdächtigen und Juden und selbst Schrebergärten wurden durchsucht und natürlich wurden Waffen und belastendes Material gefunden die einen Anlass gaben, missliebige Personen in Schutzhaft zu nehmen
Ab dem 7. April war das Gesetz zur „Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ in Kraft, mit dem politisch andersdenkende oder jüdische Beamte aus ihrem Amt entfernt wurden. Die Stadträte wurden im April neu besetzt, wobei außer der NSDAP mit einer Mehrheit von 13 Sitzen noch einige andere Parteien mit 12 Sitzen wie die SPD mit 5 Sitzen vertreten waren. Allerdings konnte die SPD diese Rolle nicht mehr ausführen da sie schon vor der ersten Tagung des Stadtrats verboten wurde. Ihre Sitze wurden dann an NSDAP Mitglieder vergeben. Die anderen Parteien wie das Zentrum haben sich noch im Lauf von wenigen Wochen selbst aufgelöst so dass am Ende nur die NSDAP im Stadtrat übrig blieb.
Neustadt
Am 26. Mai wurde die Beschlagnahmung von Vermögen inhaftierter Regimegegner legalisiert. Banken mussten Guthaben der Konten von mittlerweile illegalen Organisationen auf staatliche Kassen übertragen.
Das Geld war auch dringend nötig. Die Partei wollte sich durch eine Verringerung der Arbeitslosigkeit populär machen und das deshalb aufgelegte Bauprogramm verschlang große Beträge. In Zittau wurde unter anderem das Volksbad Großschönau und das Grenzlandtheater gebaut, die beide als solche heute noch existieren.
Im August wurden die Schutzhaftlager aufgelöst und durch ein Netz von Konzentrationslagern ersetzt. Häftlinge wurden auch freigelassen. Sie mussten einen Kostenbeitrag von 1.50 RM pro Tag ihrer Haft bezahlen und sich bei der Polizei melden. Die Ausstellung erzählt von Häftlingen, die nach der Haft seelisch so gebrochen waren dass sie Selbstmord pflegten.
Um weitere Zustimmung beim Volk zu erreichen wurden Feste organisiert. Das Datum für die Feierlichkeiten von „1000 Jahre Zittau“ war frei erfunden. Ein paar Monate später gab es dann auch noch eine Reichshandwerkswoche. Am 13. November ließ Hitler erneut Reichstagswahlen durchführen, die mit einer Abstimmung zum Austritt aus dem Völkerbund verbunden waren. Als einzige Liste konnte man die der NSDAP wählen, ein Kästchen für „Nein’ Stimmen kam nicht vor. Man musste schon ein „Nein“ explizit auf den Wahlzettel schreiben. Trotzdem wurde das noch von beinahe 900 mutigen Zittauern getan.
Am 30. Januar 1934 wurde der erste Jahrestag der Machtergreifung gefeiert. Innerhalb eines Jahres war durch die oben genannten Maßnahmen die Opposition umgeschult, unterdrückt oder ins Ausland ins Exil getrieben worden. Die Demokratie der Weimarer Republik war tot.
Grabmonument auf dem Frauenkirchen Friedhof
Im Jahr 1945 kam die Abrechnung. Anfang Mai stand die rote Armee kurz vor dem Übergang über die Neisse. Der Zittauer Eisenbahnviadukt wie der benachbarte Neißeviadukt in Görlitz wurden am 7. Mai 1945 von der Wehrmacht zur Sprengung vorbereitet, mit der man einen weiteren Vormarsch des Feindes aufhalten wollte. Dietrich Scholze war Zugführer der Eisenbahnpioniere, die den Viadukt sprengen sollten. Er ließ die von seiner Einheit eingebauten Zündkabel und Sprengkapseln wieder entfernen und in die Lausitzer Neiße werfen. Er riskierte sein Leben und verhinderte die Sprengung des Viadukts. Das in der Größe vergleichbare Viadukt in Görlitz dagegen wurde in die Luft gejagt.
Massengräber für verschiedene Nationalitäten auf dem Frauenkirchenfriedhof
Der Friedhof der Frauenkirche in Zittau ist eigentlich eher ein großer Stadtpark. Es ist der älteste Friedhof der Stadt mit einem Epitaph aus dem Jahr 1627 und Torbauten aus dem 17. Jahrhundert. Die modernen Kriege sind durch eine Vielzahl von Abteilungen vertreten. Es gibt Kriegsgräber aus dem Zweiten Weltkrieg, Massengräber und Abteilungen russischer Kriegsgräber. In den Massengräbern ist eine Vielzahl von Nationen vertreten. Wahrscheinlich sind das die Opfer unter den Reihen der Zwangsarbeiter, die in verschieden Lagern rundum Zittau schuften mussten. Die italienische Regierung hat sogar noch einen modernen Gedenkstein dazu gesetzt. Bei den russischen Gräbern überwiegen die Steine mit der Aufschrift Неизвестный солдат (unbekannter Soldat). Sogar ich kann das entziffern obwohl ich kein Wort Russisch kann….
Nach dem 2. Weltkrieg hatte Zittau plötzlich eine Grenze zu zwei Staaten. Während südlich und westlich unverändert eine Grenze zur Tschechoslowakei bestond, war nach dem 2. Weltkrieg plötzlich die Neisse die Grenze zu Polen. Im Gegensatz zum Westen waren die Grenzen im Warschauer Pakt keineswegs durchlässig. Erst nach vielen Jahren gab es Erleichterung im Grenzverkehr zu Polen und der Tschechoslowakei, die zur Zeit des Prager Frühlings sofort wieder rückgängig gemacht wurden.
Heute fährt der Zug über das Neisseviadukt nach Polen. Aber er hält dort nicht. Es ist nur ein paar Kilometer bis zur polnischen Grenze mit Tschechien, wo in Hradec nad Nisou der nächste Halt ist. Umgekehrt fährt der deutsche Zug nach Seifhennersdorf ein Stück durch Tschechien ohne dort zu stoppen. Und der Zug nach Görlitz überquert mehrmals die deutsch-polnische Grenze ohne dort zu stoppen. Wenn er fährt. In Zittau selbst ist Polen auf der anderen Seite des Flusses. Und wenn man vom Bahnhof Zittau Süd der Schmalspurbahn ein paar Minuten nach Süden läuft, dann steht man in Tschechien.
Der historische Wasserturm am Bahnhof ist immer noch verantwortlich für die Wasserversorgung von Zittau
Nach 1945 wwar die Stadt durch ihre abseits gelegene Lage in eine Sackgasse geraten. Dazu kamen noch die mangelnden Investitionen in der Zeit der DDR. Es wurden kaum Modernisierungen vorgenommen oder Neubauten errichtet. Der Fahrzeughersteller Phänomen wurde zum Volkseigenen Betrieb (VEB) Robur-Werke, aber die Produktion wurde behindert durch Teilemangel und fehlerhafte Maschinen.
Die fehlende Modernisierung aber hat den Flair der Stadt bewahrt. In der Altstadt gibt es kaum Gebäude die nach dem Jahr 1850 erbaut wurden. Viele der Räume im Erdgeschoss haben noch mittelalterliche Gewölbedecken. Eingangsportale im Biedermeierstil und historische Ladenfronten, die im Westen vielfach modernen Etalagen weichen mussten, zieren die gepflasterten Straßen.
Nach der Wiedervereinigung wurden wie die Robur Werke viele der anderen Industriebetriebe wegen Veraltung und fehlender Rentabilität geschlossen. Die Stadt hat mit Bevölkerungsschwund zu kämpfen. Dadurch fehlt Geld für die Renovierung historischer Gebäude. Es fehlt an Mietern für den Wohnraum, der renoviert worden ist. In den letzten 30 Jahren wurden in der Altstadt 60 historische Gebäude abgerissen. Vielfach sind die Fassaden renoviert aber die Fenster der Etagen darüber bleiben abends dunkel.
Kirche des Franziskanerklosters
Der Weg zum Bahnhof ist gesäumt von Apotheken, Haarsalons, Nagelstudios, Hörgeräte- und Orthopädiefachläden. Es sieht aus als ob es irgendwo einen Fehler gibt in der Konstruktion der menschlichen Rasse. Aber die Bevölkerung hier ist überaltert. Es gibt auch nicht genug Arbeitskräfte. Hier hat die Nähe der Grenze Vorteil: Die Mehrheit der Gaststätten wird durch Polen und Tschechen betrieben. Von dort kommen auch die Pflegekräfte für die Alten.
Die Geschichte wiederholt sich. Bei der letzten Stadtratswahl hat die rechtsradikale AfD 23.7% der Stimmen erreicht und ist damit die stärkste Kraft im Stadtrat. Das hat auch mit der Zersplitterung der übrigen Parteien im Rat zu tun. So verteilen sich 36% der Stimmen auf drei verschiedene freie Wählerbündnisse (Freie Bürger Zittau, Freie Unabhängige Wähler und „Zittau kann mehr e. V.“). Letztere stellen auch den Bürgermeister.
Noch….
Eine Dampflok geht schlafen
Im Hintergrund die Ruine des Lokschuppens der großen Bahn
Als ich am Bahnhof ankomme, stellt sich heraus, dass der Zug auf der Strecke nach Görlitz, die mehrmals über die polnische Grenze fährt, nicht fährt. Sie haben die Kommunikationskabel gestohlen. Ein Mann, der mit mir auf den Ersatzbus wartet, erzählt mir, dass dies das dritte Mal sei. Die Diebe verkaufen das Kupfer. Da die Bahnstrecke im Besitz der Deutschen Bahn ist, sich aber auf polnischem Territorium befindet, handelt es sich um eine Art rechtsfreie Zone. Offenbar hat die Bahn des modernen Industriestaates Deutschland noch nichts von mobiler Kommunikation gehört.
Sources:
Zittau 33, "Machergreifung" in der südlichen Oberlausitz, Ausstellungskatalog, Zittau 2023
W. Meereis, Besuch bei den sächsischen Schmalspurbahnen", EK Verlag, Solingen 1972