Sunday, January 7, 2024

Shadows of the past

Bad Berneck


An keinem der Tische neben uns im italienischen Restaurant höre ich den ursprünglichen fränkischen Dialekt der Gegend. Links spricht man Dänisch, rechts Englisch. Daneben eine Gruppe die deutlich irgendwo aus Norddeutschland kommt. Reisende, die hier übernachten auf dem Weg von oder nach Süden. In der Skisaison und im Sommer profitieren die Hotels hier von den Durchreisenden. Die Autobahn ist nicht weit und das Fichtelgebirge grobweg in der Mitte zwischen Berlin und Innsbruck. Nach einer Nacht sind die meisten wieder weg.


Der Marktplatz von Bad Berneck. An Ostern ist der Brunnen geschmückt


Früher war das anders. Für Besucher aus Berlin war das Fichtelgebirge der erste Anlaufpunkt wenn sie den eisernen Vorhang auf der Transitautobahn nach Süden hinter sich gebracht hatten. Auch für Wochenendausflüge war das Gebiet erreichbar und es gab manchen Berliner der sich hier eine Ferienwohnung oder ein Ferienhaus gekauft hatte.


Hier begann die Fortsetzung der Via Imperii von Berneck Richtung Norden. Der Blick auf die Kirche wird erleichtert da man ein paar Gebäude davor abgerissen und durch Parkplätze ersetzt hat

Das Gebirge ist nicht weit von Bayreuth. Während der Zeit der Wagner Festspiele im Sommer kann man dort die Besucher kaum unterbringen. Da muss mancher schon wegen der Preise in die Umgebung ausweichen. Der Ort Bad Berneck war dabei wegen seiner Schönheit besonders populär. Das Hotel Bube, das erste Haus am Platz, sah illustre Gäste wie Edward, 2. Duke of Kent, Krupp-Generaldirektor Berthold Beitz, Prof. Willy Messerschmitt, Wolfgang Wagner, William Somerset Maugham, Begum Aga Khan, Prinz Pierre de Monaco, Hans-Dietrich Genscher oder Theodor Heuss. Dass auch Adolf Hitler während der Festspiele hier mehrfach übernachtet hat will man heute lieber nicht an die große Glocke hängen. Es zeigt aber doch welchen Ruf das Hotel in dieser Zeit hatte.


Verblichene Karte an der Fassade der alten Posthalterei und ehemaligen Stadtmuseums die an die Via Imperii erinnert

Die Bedeutung von Berneck als Zwischenstop für Reisende begann schon im frühen Mittelalter. Die wichtigste Handelsstraße vom Mittelmeer zur Ostsee, die Via Imperii, muss hier im Knodental den Aufstieg aus dem Maintal auf die Höhen des Fichtelgebirges und Frankenwalds überwinden. Nach einer Turmburg, die wohl schon um 1000 n.Ch. bestanden hat, wurde 1168 dort wo heute die Burg Hohenberneck thront, durch Ulrich II Walpot eine Burg errichtet. Diese Walpoden waren Bevollmächtigte oder Ministeriale der Herrschenden, die hier mit Gerichts- Polizei und Herrschaftfunktionen beauftragt waren. Die nächste Walpotenburg war gleich ein paar Kilometer weiter, auf einem Bergsporn, die Burg Stein.


Die Reste der ersten Turmburg der Walpoten aus dem 11. Jahrhundert


Steigung der Via Imperii unterhalb dem alten Schloss mit mittelalterlichen Bierkellern

Die Walpoten wurden abgelöst durch die Andecks-Meranier. Ihnen war die alte Burg wohl nicht gut genug oder die Straße wurde verlegt. So wurde von ihnen das heute so genannte Alte Schloss erbaut. Reste dieser Burg sind noch vorhanden und werden als Festspielort genützt. Der ursprüngliche Bergfried wurde später zu einem Glockenturm ausgebaut der heute als Wahrzeichen über der Stadt thront.


Zugangstor zum alten Schloss

Ab 1248 regierten die Grafen von Orlamünde, ab 1340 die Burggrafen von Nürnberg aus dem Haus Zollern, die das Gebiet von den Andechs-Meraniern geerbt hatten. Die jeweiligen Besitzer hatten sich um die Sicherheit auf der wichtigen Handelsstraße zu kümmern. Dafür bekamen sie Einnahmen aus Zöllen und Geleitgeld.


Der zum Glockenturm erweiterte Bergfried des alten Schlosses

Überall lauerten die Strauchdiebe und Räuber auf die reichen Handelsleute. Der Name Böseneck eines Ortsteils des benachbarten Gefrees erinnert heute noch daran dass die Handelsleute an dieser Ecke der Straße regelmäßig überfallen wurden.


Ruine der befestigten Marienkapelle

Mittlerweile hatte der Bischof von Bamberg die Burg Stein übernommen, der in Konkurrenz zu den Zoller’schen Nürnberger Burggrafen stand. Kurz vor Gefrees war die Burg Grünstein, von der heute nicht viel mehr als eine Mauer übrig ist. Diese Burg war wieder im Lehen des Burggrafen von Nürnberg. Die Händler mussten also wohl dem Burggrafen und dem Bischof für ihre Dienste bezahlen. Später fiel Stein dann an die Sparnecker, die sich Mitte des 14. Jahrhundert auch dem Burggrafen von Nürnberg anschlossen.


Die Burg Stein


Reste der Burg Grünstein in Gefrees


Böseneck, ein bei den Handelszügen gefürchteter Ort


Schon unter den Andechs-Meraniern stellte die Adelsfamilie Wallenrode Ministeriale. Bei der Vererbung der Ländereien der Andechs-Meranier an die Hohenzollern übernahm die Familie diese Rolle auf der Burg Berneck, die damals aus dem Alten Schloss bestond. Veit von Wallenrode begann um 1478 mit dem Bau einer neuen Burg, der Burg Hohenberneck, auf den Resten der ersten Walpoten Burg in Berneck. Das alte Schloss daneben wurde nach der Fertigstellung, die Veit selbst nicht mehr erlebt hat, aufgegeben. Die von Wallenrode waren noch bis 1739 in der Gegend ansässig. Mit Karl Friedrich von Wallenrode starb am 30. September 1739 die fränkische Linie aus. Die Burg war aber schon seit 1557 nutzlos und spätestens seit 1692, als bis au gerade 5 Häuser der größte Teil von Berneck einem Brand zum Opfer fiel, unbewohnt.


Die Burg Hohenberneck vor der Renovierung


... und danach


Oberhalb von Bad Berneck befinden sich also die Ruinen von drei Burgen, nämlich der ursprünglichen Turmburg der Walpoten, der alten Veste der Andechs-Meranier und frühen Wallenroder und der Burg Hohenberneck der Wallenroder. Dazu kommt noch die Ruine einer befestigten Kapelle, die Marienkapelle, die auch im 15. Jahrhundert von Veit von Wallenrode erbaut wurde. Auf der anderen Seite des Knodentals befinden sich noch Reste einer Wallanlage, über die aber nichts bekannt ist.


Blick von der Höhe oberhalb Hohenberneck talaufwärts auf die Burg Stein. Im Tal das ehemalige Ausflugscafe Waldschänke 

Von all diesen für den deutschen Raum typischen Wirrungen der Geschichte ist den kurzzeitigen Transitreisenden wohl wenig bewusst. Sie wollen nach Süden, entweder in ein Skiparadies ohne Schnee oder an einen Strand, an dem man es im Sommer wegen der zunehmenden Temperaturen kaum aushalten kann. Und wenn sie an Geschichte interessiert sind, dann richten sie ihre Interesse wohl lieber auf die Burgen der Katharer in Südfrankreich, die kunstvolle Architektur toskanischer Renaissancestädte oder die Burgen schottischer Adliger.


Die Wanderung auf dem Thiesenring rund um Berneck eröffnet diese Aussicht auf die Stadt, das alte Schloss und die Burg Hohenberneck. Der Aussichtsppavillion hat aus der Hochzeit Bernecks überlebt


An den Bemühungen der örtlichen Behörden liegt das nicht. Jeder Mauerrest ist bestens mit Schautafeln erklärt, die Burg Hohenberneck ist vor kurzem aufwendig restauriert worden und die Stadt hat für ihre QR code basierte historische Wanderung noch einen Preis bekommen. Damit waren die finanziellen Möglichkeiten allerdings erschöpft. Das Tor der restaurierten Burg ist verschlossen. Die QR code App wird nicht mehr unterstützt da das zu viel kostet. Der Turm der alten Veste, der einen fantastischen Ausblick erlaubt, ist meistens unzugänglich. Und das Stadtmuseum in der denkmalgeschützten alten Posthalterei ist schon seit Urzeiten geschlossen.


Schon 1793 wurde die Schönheit von Bad Berneck in einem Brief der Pfingstreise von Friedrich Wilhelm Wackenroder (1773-1798) und Wilhelm Tieck (1773-1853) erwähnt: „Dicht vor Berneck wird man durch einen Anblick überrascht, der zu den schönsten gehört, die wir gehabt haben.“ In der selben Zeit kam auch der wandernde, aber leider völlig unlesbare, Schreiber Johann Paul Friedrich Richter (1763-1825), besser bekannt unter seinem Pseudonym Jean Paul, häufig hier vorbei.



Am anderen Ende des Thiesenrings ergibt sich dieser Blick auf das Tal des Weissen Mains flussaufwärts. Am Hang gegenüber das verlassene Siemens Erholungsheim

„In Berneck übernachteten sie zwischen den hohen Brückenpfeilern von Bergen, zwischen welchen sonst die Meere schossen, die unsere Kugel mit Gefilden überzogen haben. Die Zeit und die Natur ruhten groß und allmächtig nebeneinander auf den Grenzen ihrer zwei Reiche - zwischen steilen, hohen Gedächtnissäulen der Schöpfung, zwischen festen Bergen zerbröckelten die leeren Bergschlösser, und um runde grünende Hügel lagen Felsen-Barren und Stein-Schollen, gleichsam die zerschlagenen Gesetztafeln der ersten Erdenbildung.“ (Jean Paul)


Blick vom Markplatz auf das alte Schloss


Blick vom Flussufer auf die Burg Hohenberneck


Historische Gebäude im Ortszentrum


Nach dem Brand von 1692 hat sich der wiederaufgebaute Ort von seinem Zentrum um die auf einem Sattel ins Tal der Ölschnitz gebaute Dreifaltigskirche und den Marktplatz langsam in die engen Täler der vom Berg Richtung Maintal stürzenden Gewässer gefressen. Sieben davon zählt man stolz, neben dem Weissen Main und der Ölschnitz den Knodenbach, den Rimlasgrundbach, den Bärnreuther Graben, den Heinersreuther Bach und dem Heinersreuther Bächlein. In den engen Tälern sind die Häuser bis unter die trutzigen Felsen der, man kann es kaum glauben, sieben Berge gebaut, die den Ort überragen. Der Wald hängt an den steilen Hängen über den Dächern. Steht man irgendwo oben hat man einen weiten Blick über die Wiesen mit kleinen Dörfern und einsamen Gehöften die nur einen Steinwurf entfernt zu sein scheinen. In Wirklichkeit sind sie aber vom Betrachter durch tiefe Täler getrennt, deren steile Hänge nur über schweißtreibende oder knie-zerstörende Zickzackwege zu überwinden sind. Dazwischen die Bäche, die sich im Winter bei Regen in rauschende Fluten verwandeln.


Die reißende Ölschnitz formt den Mittelpunkt des Stadtzentrums


Links das Hotel Bube, an der Ufern ehemalige Pensionen


Die alten Pensionen hatten malerische Balkone für die Gästezimmer


Im Hintergrund das ehemalige Kurhaus


„Man fährt zwischen hohen Bergen in ein enges Tal hinein, worin das Städtchen in einem engen Raum eingeklemmt liegt. Über die Stadt erhebt sich der schwarze, spitze Kirchturm. Daneben steigt der kühnere Turm einer alten Burg wohl noch einmal so hoch in die Lüfte empor, verwegen streckt er sich zum Himmel hinauf.“ (Wilhelm Tieck, Friedrich Wilhelm Wackenroder).


Die Rother-(Haupt)Straße von Berneck


geht über in die Bahnhofstrasse ohne Bahnhof


Seit dem Mittelalter war die Umgebung von Bad Berneck wie im gesamten Fichtelgebirge noch durch kleinräumigen Bergbau geprägt, der sich aber bald als nicht mehr wirtschaftlich erwies. Immerhin kann der Ort seitdem auch Alexander von Humboldt zu seinen berühmten Besuchern zählen, der zu dieser Zeit als preußischer Bergbauinspekteur im Fichtelgebirge beschäftigt war. Mit der Einstellung des Bergbaus brach aber eine wichtige Einnahmequelle der Bernecker weg. Der Ort musste sich neu erfinden.

Die historischen Gebäude der gepflasterten Hauptstraße.


.... werden von den Felsen der steilen Hänge überragt


Rotherstrasse


Im 18. Jahrhundert entdeckte die reiche Elite die Badekultur. In vielen europäischen Ländern entstanden luxuriöse Badeorte wo betuchte Besucher sich einbilden konnten ihre angeschlagene Gesundheit mit gesundheitsfördernden Mineralwasser oder Kuren zu verbessern. Einige davon wurden jüngst durch die UNESCO zum Weltkulturerbe der Menschheit erklärt: Baden bei Wien (Österreich); Spa (Belgien); Franzensbad; Karlsbad; Marienbad (Tschechien); Vichy (Frankreich); Bad Ems; Baden-Baden; Bad Kissingen (Deutschland); Montecatini Terme (Italien); und Bath (Grossbritannien). Bad Kissingen, Karlsbad, Franzensbad und Marienbad sind nur eine Autostunde von Berneck entfernt. Ihr Aufstieg seit Beginn des 18. Jahrhunderts mag auch in vielen kleineren Orten wie Berneck die Idee der Entwicklung von Tourismus und eines Kurbades gefördert haben.


Kurpark


1830 wurde der erste Kurbetrieb aufgenommen. Da man in Berneck über keinerlei Mineralquellen verfügt, behalf man sich zunächst mit einer sogenannten Molkenkur. Molke ist die bei der Käseherstellung anfallende Restflüssigkeit, die leicht laxierend wirkt. Allerdings erwies sich die Molkekur schon um etwa 1900 als medizinisch nutzlos. Neben der Molke wurden Kräuter für die heilenden Anwendungen gebraucht. In erster Linie war Berneck aber ein Luftkurort.


Die alte Kolonnade aus 1854 wurde später auf die gegenüberliegende Talseite verlegt


In dieser Zeit hatte Berneck im Tuchfabrikanten Wilhelm Rother (1813-1898) einen zahlungskräftigen Förderer. Bei seinem Tod hinterließ er der Stadt eine Stiftung von einer halben Million Goldmark die zum Bau eines Kurhauses, der Neuen Kolonnade und der Stadtgärtnerei genutzt wurden. Die 1898 errichtete strahlend weiße, frisch renovierte neue Kolonnade erhebt sich noch immer oberhalb des Kurparks, gegenüber der roten alten Kolonnade. Die stammt aus 1854 und wurde beim bei der Neuen auf die andere Flussseite verlegt. Darüber thront die Burg Hohenberneck. Am oberen Ende des Kurparks wurde 1895 auch ein populäres Waldschwimmbad eingerichtet. Auch die Anlage eines dendrologischen Gartens geht auf Rother zurück. Für die die es nicht wissen: Dendrologie ist die Gehölzkunde und beschäftigt sich mit verholzenden Pflanzen, insbesondere Bäumen, Sträuchern und verschiedenen Kletterpflanzen.


Die neue Kolonnade aus 1898 wird von der Burg Hohenberneck überragt

Die Geschichte des Hotels Bube ist symbolisch für die Geschichte der Entwicklung der Badekultur in Bad Berneck und der Region.


Kneippkur Becken zum Wassertreten

Schon ab 1852 wurde an der Ölschnitz ein Hotelgebäude errichtet. Dieser 1884 fertiggestellte Teil des Hotels ist auch heute noch vorhanden. Im selben Jahr 1884 wurde daran ein Speisesaal angebaut. Ab 1910 begann Georg Bube mit dem Bau eines repräsentativen neuen Hauses. Die Fertigstellung wurden durch den 1. Weltkrieg und die folgende Weltwirtschaftskrise verzögert, so dass das Hotel 1920 nur als 2-geschossiger Bau mit Flachdach eröffnet wurde. Die Erweiterung zum heutigen Gebäude mit 2 Obergeschossen und Spitzdach wurde erst 1922 fertiggestellt.


Fassade und Gartenseite des Hotels Bube


Das Hotel hatte einen für die damalige Zeit außerordentlichen Luxus. Es standen 90 Zimmer mit 120 Betten zur Verfügung, die mit Bädern, Balkonen oder Loggien, kaltem und warmen Wasser und Zentralheizung ausgerüstet waren. Neben den Speisesälen und einer Bierstube gab es Schreib-, Lese- und Gesellschaftsräume, Terrassen, Gärten und sogar etwas, was man heute als Wellness-Bereich bezeichnen würde – einen Kneippkurbereich. Für die Karossen der wohlhabenden Gäste standen 20 Garagen zur Verfügung.


Die historischen Garagen des Hotels

Kneippkuren wurden in Berneck seit 1930 durchgeführt. Es folgte eine Blütezeit als mondäner Kurort, der prominente Gäste anzog, die manchmal von weit her kamen. Aber erst am 30. November 1950 erhielt die Stadt das Prädikat „Kneipp-Heilbad“ und erst seitdem durfte sie sich „Bad Berneck i. Fichtelgebirge“ nennen.


Verlassene Hotels und Pensionen



und verlassene Läden


Aber der Niedergang stand vor der Tür. Die offiziellen Stellen führen den Rückgang der Besucherzahlen auf Gesundheitsreformen in der Bundesrepublik, die Einstellung der Bahnlinie und den Effekt der Wiedervereinigung auf die Zahl von Besuchern aus Berlin zurück.


Viele der Pensionen hatten Gärten oder Biergärten


Im Jahr 1989 wurde unter der Leitung des damaligen, im übrigen sehr sozial eingestellten Gesundheitsministers Norbert Blüm Reformen eingeführt. Dabei wurden in der Tat die Selbstbeteiligungen für Kuren erhöht. Es ist aber fraglich ob damit tatsächlich die Heilbäder in den Niedergang getrieben wurden. Der Niedergang hatte in Bad Berneck schon deutlich früher begonnen. Das gleiche gilt für den Wegfall von Besuchern aus Berlin. Die Grenzöffnung von 1989 kam zu einem Zeitpunkt als Bad Berneck seine Popularität als Kurbad schon verloren hatte.


Das Hotel Zur Mühle ist jetzt das beste Haus am Platz


Der Personenverkehr auf der Bahnlinie Neuenmarkt-Wirsberg – Bad Berneck – Bischofsgrün wurde schon am 26.5.1974 eingestellt. Es ist sicher so dass ein großer Teil der Badegäste im fortgeschrittenen Alter war und deshalb vielleicht eine Anreise mit dem Zug gewählt hätte wenn es eine attraktive Verbindung gegeben hätte. Die war für Bad Berneck durch die Anbindung über Neuenmarkt-Wirsberg wohl nie gegeben. Selbst ein Tagesbesuch im nahen Bayreuth war mit dem Zug ein langwieriger Prozess. Natürlich ist die als Ersatz angebotene Verbindung mit dem Bus auch heute noch unzumutbar, langsam und für ältere Gäste mit Gepäck völlig ungeeignet. Ob sie allerdings in einer Zeit, wo der Individualverkehr in jeder Hinsicht Vorrang hatte, als Grund für den Niedergang angesehen werden kann ist auch fraglich.


Historische Gebäude am Kirchenring


Verlassene Kneipe


Was das Hotel Bube anbelangt war die Talfahrt jedenfalls schon deutlich vor 1989 sichtbar. Nach dem Tod von Georg Bube wurde der Betrieb erst von der Familie seiner Tochter und dann von verschiedenen häufig wechselnden Betreibern weitergeführt. Schließlich wurde das Hotel schon deutlich vor 1989 geschlossen. In der Zeit danach wurde Hitler’s Lieblingsherberge noch Asylantenheim, wurde aber nach 1997 auch dafür nicht mehr genutzt.


Einige der vielen Treppen and den Hängen von Berneck


Kommt hier noch jemand langs?


Der Hauptgrund für den Niedergang des Fichtelgebirges im allgemeinen und Bad Bernecks im besonderen als Tourismusregion ist wohl eine Folge der geänderten Reisegewohnheiten der Deutschen. Für den Sommerurlaub war eine Region im eigenen Land nicht mehr gut genug. Mit dem eigenen Fahrzeug konnten die Mittelmeerländer leicht und preisgünstig erreicht werden. Der Effekt wurde noch durch die ständig sinkenden Flugpreise verstärkt. Der dadurch erfolgte Rückgang der Besucherzahlen hat sich nicht nur auf die Region Fichtelgebirge ausgeübt. Bei einem Besuch in einem Hotel an der Saarschleife wurde ich etwa 2005 vom Inhaber mit den folgenden Worten begrüsst: „was macht ihr denn hier, wo man doch locker für 99 € für ein langes Wochenende nach Mallorca fliegen kann“.





Meine Kinder haben um 2003 noch im Wintersportort Bischofsgrün Skikurse gemacht. Die dortige Skischule war seinerzeit wegen ihrer Methode hochangesehen. Mittlerweile ist das Gebäude verlassen. Schnee gibt es hauptsächlich noch als Kunstschnee. Auf den Zufall eines seltenen strengen Winters will sich ein exakt planender moderner Tourist nicht mehr verlassen. Trotzdem werden Millionen an Zuschüssen für neue Lifte, Flutlicht- und Kunstschneeanlagen verschleudert. 



An Versuchen den Verfall aufzuhalten hat es an sich nicht gefehlt. Im Jahr 1968 wurde ein modernes Hallenbad gebaut woraufhin das alte Flussschwimmbad im Kurpark, das aus dem Waldschwimmbad aus 1895 entstanden war, 1969 geschlossen wurde. Im Jahr 2006 wurde es „vorübergehend“ wegen Reparaturarbeiten geschlossen. Was ist ein Heilbad ohne Bad? Da hätte man besser das historische Freibad am oberen Ende des Kurparks als Denkmal erhalten können. Im Jahr 1971 wurde ein neues, sogenanntes Kurmittelhaus eröffnet. Auch das konnte die Gemeinde nicht selbst tragen. In privater Hand ist es für die normalen Besucher wenig attraktiv. Das historische Jugendstil Kurhaus wurde durch einen horrenden Erweiterungsbau verunziert. Kein Wunder, dass es heute leer steht. Und am Anger hat man die frühere Brauerei, die abgerissen wurde, durch ein abgrundtief hässliches Geschäftsgebäude mit Supermarkt ersetzt. Wer jetzt, natürlich mit dem Auto, in Bad Berneck, anreist, bekommt erst diesen Betonklotz zu sehen, hinter dem sich die desolate Fläche eines schlammigen Parkplatzes voller Schlaglöcher erstreckt. Für einen flüchtigen Besucher der sich von der nahen B303 hierher verirrt ist das kaum eine Einladung zum Besuch des eigentlichen Ortskerns.


Das denkmalgeschützte aber durch einen Umbau völlig verunstaltete Jugendstil-Kurhaus


Nicht nur das Hotel Bube schloss seine Türen. Das enorme Siemens Erholungsheim am Hang über der Stadt steht schon lange leer. Entlang der Bahnhofstrasse reihen sich verlassene Pensionen. Hier und in der Rotherstrasse sind die meisten Schaufenster leer. Wie zum Spott haben manche noch Reklame für Fernreisen im staubigen Schaufenster. 


(geschlossenes) Reisebüro und....


... Schaufensterfernweh


Die früheren Ausflugscafes wie das Waldlust im Ölschnitztal, und die wie Vogelnester über dem Tal hängenden Cafes am Königsstuhl und Wallenrode sind geschlossen oder überhaupt verlassen. Von ihrem ehemaligen Glanz zeugen nur alte Postkarten. Man kann es wohl dem typischen deutschen Touristen auch nicht mehr zumuten von seinem Auto zu einem Cafe zu laufen oder selbst einen Berg hoch zu klettern. Das „Berg“ in der Maintalstraße, ein imposanter Backsteinbau aus dem Jahre 1900, wurde bis 1990 als Pension betrieben, steht seitdem leer, ist zugenagelt und verfällt langsam. Immerhin hat es mittlerweile Denkmalstatus und ist damit hoffentlich vor dem Abriss sicher.


Die ehemalige Pension Berg, später Krankenhaus und dann wieder Pension


Das verlassenen Cafe Wallenrode


Obwohl viele der Gebäude nicht mehr vollwertig genutzt werden ist der Charakter des alten Ortskerns, der sich von der Bahnhofs- und Rotherstrasse vom Marktplatz Richtung Kirche am Hang hoch schmiegt, weitgehend erhalten. Eine Vielzahl von verwinkelten Treppenpassagen verbinden die wenigen engen Gassen. Viele der Häuser im Ortszentrum haben den für das Umland von Bayreuth typischen Marktgrafen-Stil. Vieles ist in schlechtem Zustand, verfallen, oder leer. Müll liegt in den engen Passagen und auf den Treppen. Es fehlt überall an Geld und die allgemeine deutsche Resignation tut ihr übriges. Zum Aufräumen eines Hinterhofs ist normalerweise ja nicht viel Geld nötig.


Die barocke Dreifaltigkeitskirche...


...ist typische für Kirchen aus dieser Zeit in der Markgrafschaft Bayreuth


Der Ort wird gekrönt durch die auf einer Plattform über dem Ortskern stehende Dreifaltigkeitskirche. Der klassizistischer Saalbau mit Walmdach von Carl Christian Riedel wurde 1796–1800 erbaut. Das Plateau wird begrenzt durch die Kirchhofmauer aus Sandsteinquadern und Treppe. Auch dieses Ensemble ist typisch für die Gegend rund um Bayreuth. Der Westturm aus 1518 hatte früher einen Torbogen als Durchfahrt für die Via Imperii.


Ehemalige Villa des Brauerei-Besitzers. Der Platz der Brauerei gegenüber ist ein schlammiger Parkplatz geworden



Villen am Bärnreuther Bach


Villen oberhalb der ehemaligen Brauerei


Der historische Ortskern wird umgeben von historischen Villen aus der Blütezeit der Stadt, die sich über die umliegenden Hanglagen verteilen. Auch hier sind viele verlassen oder in einem renovierungsbedürftigen Zustand. Die resignierten Besitzer haben ihr Geld wohl lieber in der Toskana, in Mallorca oder an der Costa Brava angelegt.



Villen oberhalb der ehemaligen Brauerei


Mehr als 50 geschützte Baudenkmäler zählt alleine der Ortskern von Bad Berneck. Es bleibt zu hoffen dass dadurch weitere Bausünden zumindest begrenzt werden. Die Vergangenheit hat hier einigen Schaden, nicht allein beim Kurhaus, hinterlassen. Die kleine katholische Kapelle, die ebenfalls denkmalgeschützt ist, wurde hinter einem furchtbaren Beton-Erweiterungsbau versteckt. Das Rathaus befindet sich in einer ebenfalls geschützten prachtvollen ehemaligen Schule. Es wurde durch einen zentralen Eingangsbau aus Beton und Glas derartig verunziert dass sein Charakter verloren gegangen ist. Dabei ist dieser behindertengerechte Zugang auch noch falsch platziert, da die meisten (behinderten) Besucher wohl eher vom Parkplatz auf der Rückseite des Gebäudes kommen als vom Gehweg der befahrenen Hauptstraße. Doch der Raubbau wird weiter gehen. Immer wieder werden Gebäude aus dem historischen Kern abgerissen und durch Parkplätze ersetzt. Die völlig uninteressierte bayrische Regierung gibt dafür auch noch Zuschüsse.


Die Fassaden am Marktplatz wurden renoviert. 


Für die historischen Balkone hat das Geld aber nicht gereicht


Das Merkel hatte das beste Restaurant Bernecks. Es ist geschlossen



Das zweite Gebäude von links musste mittlerweile einem Parkplatz weichen

Neben seiner Bausubstanz hat Bad Berneck noch immer die Schönheit seiner wild-romantischen Umgebung. Für Wanderer und Radfahrer wurde ein umfangreiches Wegenetz markiert. Der Thiesenring, Bad Berneck’s Hauswanderweg, ist wohl einer der schönsten und abwechslungsreichsten Wanderungen Bayerns, wenn nicht sogar Deutschlands. Er verbindet die Höhen rund um die Stadt. Man besucht dabei alle Aussichtspunkte, die teilweise noch durch die historischen Pavillons geschmückt sind, passiert alle Bad Bernecker Burgen und überquert einige seiner rauschenden Gebirgsbäche. Begleitet wird man dabei von den schroffen Gesteinsformationen der steilen Hänge um die Stadt. Weite Aussichten auf die Höhen des Fichtelgebirges wechseln sich ab mit dem Blick ins Tal auf das historische Zentrum der Stadt. Und diese Ausblicke werden durch das enorme Waldsterben auch noch ständig besser. „Freie Sicht zum Mittelmeer“, kommentiert ein Wanderer über die Baumleichen vor uns.


Wanderwege flussauf auf beiden Seiten der Ölschnitz


Bleibt die Frage warum das Fichtelgebirge im allgemeinen und Bad Berneck im besonderen unter diesen Voraussetzungen nicht mehr Gäste anziehen kann. Was macht eine Gegend wie den Bayrischen Wald, den Harz oder das Elbsandsteingebirge attraktiver? Im bayrischen Wald ist es sicher der Status eines Nationalparks. Im Harz wohl der Bekanntheitsgrad und Schönheit von Städten wie Goslar oder Wernigerode zusammen mit der literarischen Berühmtheit von Hexentanzplatz und Brocken. Der unlesbare Jean Paul kann wohl mit Goethe kaum mithalten. Das Elbsandsteingebirge hat seine Felsen und die Elbe. Städte wie Wunsiedel, Weissenstadt oder Bad Berneck haben zwar nicht die Bedeutung der Städte im Harz, wären aber touristisch sicher attraktiv wenn zur Stadtentwicklung mehr getan würde als die unsägliche Anlage von mehr Parkplätzen. Die historische Bedeutung der Region zwischen Bayreuth, Böhmen und Sachsen ist im Rest von Deutschland völlig unbekannt. Genauso wie die Felslandschaft rund um Waldstein, dem Steinwald oder der Rudolfsteine.


Felsformationen im Fichtelgebirge


Meine Nachbarn an den Tischen im Restaurant werden morgen weiterfahren. Ob sie noch etwas Neues über die Umgebung oder Geschichte des Ortes erfahren haben, in dem sie eine Nacht verbracht haben? Leicht wurde Ihnen das nicht gemacht. Nirgendwo liegen Wanderkarten aus die zu einem längeren Aufenthalt inspirieren würden. Informationen zur Geschichte muss man sich im Internet zusammensuchen. Der Reisende verlässt das Hotel mit dem Gefühl, eben eine von vielen, mehr oder weniger angenehmen Unterkünften in einem Durchschnittsort besucht zu haben.


Granit Plattenverwitterung. Im Hintergrund der Ochsenkopf 

Auch im Fichtelgebirge haben manche Orte einen bescheidenen Ruf als touristisches Ziel erworben. Weissenstadt mit seinem See hat es geschafft Investoren anzuziehen die einen enormen Thermenkomplex angelegt haben. Dagegen ist der frühere Wintersportort Fichtelberg, der auch einen attraktiven See hat, kurz davor sich in eine Ghost town zu verwandeln. Welchen Weg wird Bad Berneck gehen?



Nach dem Brand in seiner Therme ist der Ort Fichtelberg ...


... fast zu einer Geisterstadt geworden


Mittlerweile hat sich ein Käufer gefunden, der das Hotel Bube wiederbeleben will. Die neuen Besitzer haben die Absicht seine Vergangenheit als Luxusherberge wieder aufleben zu lassen. In einem ersten Schritt wurde der ehemalige Speisesaal als Buffet Bube wiedereröffnet. Da ist vom Luxus noch nicht so viel zu sehen. Als nächstes sollen die repräsentativen Versammlungsräume im Erdgeschoss für Veranstaltungen zur Verfügung stehen. Der älteste Teil des Komplexes soll bis Ende nächsten Jahres normale Hotelzimmer beherbergen, während das Hauptgebäude luxuriöse Suiten bekommen soll. Am Marktplatz haben neue Beistzer eines der historischen Gebäude aufwändig renoviert. Auch für das ehemalige Museum bestehen Pläne zum Bau von Eigentumswohnungen. Mit seiner Nähe zu Bayreuth wäre Bad Berneck sicher ein attraktiver Wohn-Vorort. Solange die bayerische Regierung allerdings nicht daran denkt, jedem der neuen Bewohner gleich einen BMW als Zuzugsförderung zu schenken, müsste man allerdings vielleicht mal nachdenken wie man die katastrophale Busanbindung verbessern kann.


Fernblick von den Höhen oberhalb Bad Bernecks

Quellen:


Aussichtspunkt Engelsburg am Thiesenring

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