Monday, June 16, 2025

Annals of justice (6): Die Nürnberger Prozesse

Der Prozess der Schriftsteller


Schon vor der Machtübernahme fanden zwischen 1927 und 1929 die Reichsparteitage der NSDAP in Nürnberg statt. Mit ihrer Affinität zu Nürnberg griffen die Nazis auf den historischen Hintergrund zurück. Im Mittelalter mussten die deutschen Kaiser mindestens einmal im Jahr einen Reichstag in Nürnberg abhalten.

Die Nürnberger Kaiserburg, der Teil der enormen Burg der einmal pro Jahr dem Kaiser als Unterkunft diente

Mit der Machtübernahme 1933 war dem Größenwahn keine Grenze mehr gesetzt. Weder Kosten noch Mühen wurden gespart um möglichst schnell ein geeignetes Gelände für die jährlichen Reichsparteitage aus dem Boden zu stampfen. Von den verschiedenen Aufmarschorten wurde nur das Zeppelinfeld mit seiner Haupttribüne vollständig fertig gestellt. Für die SS wurde eine Kaserne, für die Arbeiter ein Wohnkomplex, dazu eine Trafo-Station, KdF Stadt und Lager errichtet. Entlang der Großen Straße sollte noch ein Deutsches Stadion, Märzfeld, Haus der Kultur, Kongresshalle, Luitpoldhalle und Luitpoldarena errichtet werden.


Die unvollendete Congresshalle, ein Plagiat des Coliseums in Rom, war gedacht einmal im Jahr als Schauplatz der Abschlussrede der Parteitage durch den schreienden Führers zu dienen 

Für das monumentale Deutsche Stadium wurde im Hischbachtal in der fränkischen Schweiz extra ein Modell errichtet um die Neigung der Tribüne und die Akustik zu testen. Vom Stadion selbst wurde bis zum Kriegsende nur die Baugrube ausgehoben. Vollgelaufen mit Wasser ist sie heute als Silbersee zu bestaunen – ein gefährliches Gewässer, in dem Schwimmen verboten ist da schon mehrere Versuche mit dem Tod endeten.

Aussichtsplatform des in der Kongresshalle mittlerweile niedergelassenen Dokumentationszentrums

Von den Gebäuden werden die Reste der Zeppelintribüne heute noch bei Veranstaltungen wie Autorennen oder Rockkonzerten gebraucht. Dabei wurden im Lauf der Jahre baufällig gewordene Teile schrittweise entfernt. Die nie fertiggestellte Kongresshalle dient als Standort eines Dokumentationszentrums über Entstehen, Auswirkungen und Untergang der Diktatur.


Es gibt wohl keine genialere Idee ein faschistisches Gebäude lächerlich zu machen als wenn man es als Reklamefläche für einen Billigsupermarkt verwendet: die Zeppelintribüne


Das Gelände wurde durch die Erweiterung der Bahnhöfe Nürnberg-Dutzendteich, Nürnberg-Langwasser und Fischbach erschlossen. Der geplante Bahnhof Märzfeld wurde nie fertiggestellt. Die damals errichteten Bahnhofsgebäude stehen zwar noch, sind aber dem bei der Deutschen Bahn üblichen Verfall preisgegeben.


Ehemaliger Bahnhof Nürnberg Fischbach

Trotz der unvollständigen Kulisse wurden ab 1933 bis 1938 die Reichsparteitage in Nürnberg abgehalten. Dadurch gelangte die Stadt, die durch die Partei zu ihrem Liebling erklärt worden war, ins besondere Scheinwerferlicht der zunehmend erfolgreicheren Alliierten Luftangriffe. Noch am Kriegsende wurde die Altstadt von Nürnberg zu einer Trümmerwüste bombardiert und zu 90% zerstört.


An diesem Hang im Hirschbachtal wurde eine Probebühne für das deutsche Stadion errichtet


Nach dem Krieg wurde nach einem Ort gesucht um mit den Verursachern des Dramas abzurechnen. Die USA forderten, dass der Prozess an einem Ort in ihrer Zone stattfinden sollte. Neben der durch die Nazis aufgegriffenen symbolischen Bedeutung Nürnbergs sprach für den Standort auch dass trotz der beinahe vollständigen Zerstörung der Altstadt noch ein intaktes Gefängnis und Gerichtsgebäude zur Verfügung stand, das für die Unterbringung der Delinquenten und als Veranstaltungsort für die Prozesse dienen konnte.

Das Gerichtsgebäude in der Führter Strasse

Bereits seit 1868 befand sich Bayerns erstes Gefängnis mit Zellen in der Nürnberger Fürther Straße. Um mehr Platz zu schaffen, beschloss der Bayerische Landtag 1907 den Bau eines zentralen Justizpalastes auf einem staatlichen Grundstück neben dem Gefängnis. Im September 1916 wurde der neue Justizpalast vom letzten bayerischen König, Ludwig III., eingeweiht. Saal 600 war der größte Gerichtssaal des Strafgerichts und wurde zur Verhandlung schwerer Verbrechen wie Mord genutzt.


Zugang zum zugehörigen Gefängnis

1m August 1945 kamen die ersten Gefangenen in Nürnberg an. Sie wurden im Osttrakt des an das Gerichtsgebäude grenzenden Gefängnisses untergebracht. Wichtige Zeugen sowie Angeklagte der Nachfolgeprozesse wohnten in den übrigen Flügeln. Es galten strenge Sicherheitsvorschriften. Kommunikation der Angeklagten untereinander und persönlicher Kontakt zu den Wachen war untersagt. Die einzige persönliche Verbindung zur Außenwelt stellten die Verteidiger dar. Private Besuche waren nicht gestattet, familiäre Kontakte auf einen Brief pro Woche beschränkt. Zwei deutschen Ärzte, ein amerikanischer Psychologe und zwei Psychiater kümmerten sich um die Häftlinge.


Saal 600 im heutigen Zustand

Zur Vorbereitung des Prozesses wurde der Saal 600 umgebaut. Auf der Besucherseite wurde ein Durchbruch mit einer erhöhten Tribüne für Berichterstatter und Beobachter eingebaut. Für deutsche Berichterstatter waren nur 6 der 250 Plätze bestimmt. Die Russen traten weitere 5 ihrer eigenen Plätze an deutsche Pressevertreter aus ihrer Zone ab. Von dort konnten sie links die Bank mit den Angeklagten und rechts das Tribunal der Richter vor der Kulisse der Nationalflaggen sehen. Als Richter hatte die USSR Iola T. Nikitschenko entsandt, das Vereinigte Königreich Jeoffrey Lawrence, die USA Francis A. Biddle, und Frankreich Henry Donnedieu. Jedes Land wurde auch durch einen Hauptankläger vertreten. Wichtigster davon war der Amerikanische Staatsanwalt Robert. H. Jackson, der auch am 20.11.1945 die Eröffnungsrede hielt. Deutsche waren am Strafprozess nicht beteiligt.


Modell des Saals 600 während der Prozesse

Der „Hauptkriegsverbrecherprozess" dauerte bis 1.10.1946. Angeklagt im Hauptverfahren waren 24 Hauptkriegsverbrecher, Rudolf Hess, Vertreter Hitlers, Joachim von Ribbentrop, Außenminister, Wilhelm Keitel, Wehrmacht Oberkommando, Erich Raeder, Chef der Kriegsmarine, Hermann Göring, Reichsluftfahrtminister und Hitlers designierter Nachfolger, Karl Dönitz, Kommandeur der U-Boot Flotte, Baldur von Schirach, Reichsjugendleiter, Ernst Kaltenbrunner, Chef der Sicherheitspolizei, Fritz Sauckel, Gauleiter, Alfred Rosenberg, Ideologist und Minister für die besetzten Ostgebiete, Alfred Jodl, Wehrmachtsoberkommando, Hans Frank, Generalgouverneur Polen, Franz von Papen, vorheriger Reichskanzler, Wilhelm Frick, Innenminister, Arthur Seyss Inquart, Gouverneur der Niederlande, Julius Streicher, Gauleiter Franken, Albert Speer, Architekt und Minister für Rüstung, Walter Funk, Wirtschaftsminister, Konstantin von Neurath, Außenminister, Hjalmar Schacht, Reichsbankpräsident, Hans Fritsche, Hauptkommentator im deutsches Radio, sowie sieben als verbrecherisch eingestufte Gruppen und Organisationen. In Abwesenheit angeklagt waren außerdem Robert Ley, Gustav Krupp von Bohlen und Martin Bormann.


Die Kongresshalle dient makabererweise auch als Kulisse für das jährlich veranstaltete Volksfest

Basis für das Verfahren waren die seit Mitte des 19. Jahrhunderts begonnen Versuche den zunehmend mit industriellen Mitteln geführten Krieg durch internationale Vereinbarungen völkerrechtlich zu normieren und zu „zivilisieren". Die Genfer Konventionen von 1864 und 1906 sollten den Krieg „den Gesetzen der Menschlichkeit und den Geboten des öffentlichen Gewissens" (Henri Dunant) unterwerfen. Auf den Haager Konferenzen von 1899 und 1907 entwickelten die Vertreter von 44 Staaten ein umfassendes Programm zur Friedenssicherung, Verhaltensregeln für den Konfliktfall sowie Normen für die Land- und Seekriegführung.


Innenhof der Kongresshalle, die für 50000 Besucher ausgelegt hätte sein sollen

Es gab vier Anklagepunkte: kriminelle Verschwörung zur Entfesselung eines Aggressionskrieges, Verbrechen gegen den Frieden, Ausübung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dabei wurden nur Verbrechen berücksichtigt, die gegen andere Nationen verübt wurden. Gewalttaten von Deutschen gegen Deutsche standen nicht vor Gericht. Es wurde strikt darauf geachtet einen nach der anglo-amerikanischen Prozessordnung gerechten Prozess mit Anklage, Beweisführung und Verteidigung zu führen um den Eindruck einer willkürlichen Rache der Sieger zu vermeiden. Dazu wurde von Anklage und Verteidigung Beweismaterial gesammelt und präsentiert und eine Vielzahl von Zeugen gehört.


Einer der Zugänge zum Innenhof

So führte die Verteidigung beispielsweise zum Freispruch zum Anklagepunkt des deutschen Unterseebootkrieges. Da nachgewiesen wurde, dass auch zivile Schiffe bewaffnet und für Kriegszwecke eingesetzt wurden, kam der Kommandant der deutschen U-Boot-Flotte, Dönitz, schließlich mit einer zehnjährigen Haftstrafe davon.


Säulenumgang der Kongresshalle

Die Nürnberger Prozesse waren auch ein Meilenstein für die Entwicklung von simultaner Übersetzung. Durch die vier verschiedenen Sprachen der Anklage und Richter sowie Deutsch im Fall der Angeklagten war schnelle Übersetzung nötig. Zum ersten Mal wurde Simultanübersetzung während der Nürnberger Prozess in großem Maßstab angewendet obwohl das in Deutsch durch den unterschiedlichen Satzbau besondere Schwierigkeiten verursacht und auch zu entsprechenden Fehlern führte. Gelbe und rote Lampen am Pult der Redner wurden verwendet um ihnen deutlich zu machen wenn die Übersetzung eine Anpassung der Redegeschwindigkeit benötigte. Alle Gespräche wurden auf Band aufgenommen.


Die Breite Straße die dazu die als Paradestrasse vom Märzfeld zur Kongresshalle gedacht war

Während das Gerichtsgebäude nach dem Umbau problemlos für den Prozess genutzt werden konnte, stellte die Unterbringung der vielen militärischen und zivilen Mitarbeiter eine logistische Herausforderung dar. Die Nürnberger Altstadt war zu über 90 Prozent zerstört. Die Quartierfrage wurde daher durch die Beschlagnahme intakter Häuser gelöst.


Das Grand Hotel in Nürnberg heute

Prominentere Besucher konnten im relativ intaktem Grand Hotel auf dem Nürnberger Bahnhofsvorplatz logieren, zum Beispiel die kurzzeitige Korrespondentin Marlene Dietrich. Aber die Prozesse waren auch ein Medienevent. Darum wurde nach einem Ort gesucht wo Schreiber und Journalisten untergebracht werden konnten. Dazu wurde das Gelände des enormen Schlosses des Bleistiftbarons Faber-Castell im Nürnberger Vorort Stein für diesen Zweck requiriert.


Jugendstillampe in der Bar des Grandhotels

Das Bleistiftschloss war im Jahr 1906 im historisierenden Stil einer mittelalterlichen Burg errichtet worden. Neben den Unterkunftsmöglichkeiten gab es u. a. zwei Speisesäle. Über das dort servierte Essen wurde viel geklagt.

Zugangstor zum Faberschloss

Das Schloss war umgeben von umfänglichen Parkanlagen im englischen Landschaftsstil, wo sich auch eine Villa, Nebengebäude und u.a. auch ein Mausoleum für Mitglieder der Familie Faber Castell und ein See mit einer Insel mit Imitationen von Ruinen befanden. Die Villa wurde als Unterkunft für die Frauen und Ehepaare unter den Berichterstattern gebraucht.


Die Villa im Park

Unter den Anwesenden bestand eine hohe Fluktuation. Die Liste der Anwesenden wie u.a. Erika Mann, Alfred Döblin, Erich Kästner, Willy Brandt, Markus Wolf, John Dos Passos, Ilja Ehrenburg, Rebecca West, Martha Gelhorn oder Golo Mann liest sich wie ein Querschnitt der berühmten Autorenszene der Zeit. Auch zu dieser Zeit unbedeutendere Weltbereiche waren vertreten, wie z.B. China durch Qiao Xian oder Cuba durch den Hochstapler Walter Ullmann alias Jo Lherman oder Dr. Gaston Oulman. Der jüdische Holocaust Überlebende Ernst Michel saß dort als Berichterstatter seinen Peinigern gegenüber. Viele der ehemals deutschen Schriftsteller waren mittlerweile mit ausländischem Pass in Nürnberg, so arbeitete Erika Mann als Korrespondent des amerikanischen Militärs und Willy Brandt hatte einen norwegischen Pass.

Das Schloss

Die Russen verblieben nach Andringen der russischen Geheimpolizei in einem abgesonderten Gebäude auf der anderen Strassenseite.


Kapelle im Schloss

Nach den zum Teil komfortablen Unterkünften, die die Pressevertreter zuvor genossen hatten, war das Bleistiftschloss eine Enttäuschung. Zum Teil musste in Schlafsälen mit 10 Feldbetten übernachtet werden. Es gab wenig Telefonverbindungen, beispielsweise gab es für den norwegischen Korrespondenten Willy Brandt keine Leitung nach Oslo. Vor den sanitären Einrichtungen bildeten sich oft lange Schlangen. Konzentriertes Arbeiten war in den beengten Verhältnissen der Arbeitsräume im Schloss auch beinahe unmöglich.

“Unter einem Schlossleben stellt man sich was anderes vor als Schlafsäcke und Feldbetten. Doch zur Einstufung als war correspondent passt es wieder ganz gut” Willy Brandt



Das Mausoleum im Schlosspark

Es gab aber auch angenehme Momente. So wurden im Schloss Schachturniere und Tanzveranstaltungen abgehalten und der mit russischem Pass versehene Markus Wolf lernte dort Poker spielen. Alkohol war dabei immer unverzichtbar. Markus Wolf traf dort auch auf Willy Brandt, den er viele Jahre später als Bundeskanzler durch seine Aktivitäten als Chef des DDR Sicherheitsdiensts zu Fall bringen sollte.


Ruineninsel im Schlosspark

Hinter dem Schloss und Park war auch gleich das umfangreiche Areal der Faber-Castell Bleistiftfabrik.


Faber-Castell Bleistiftfabrik heute

Roland Graf von Faber-Castell hatte schon mit 23 die Leitung des Unternehmens von seinem verstorbenen Vater übernommen. Da er aber kein Mitglied der NSDAP war musste er sich schon bald damit abfinden dass er sich einem von der Partei eingesetzten Geschäftsführer unterordnen musste. Graf Roland wurde angegriffen weil er seine Mitarbeiter nicht dazu anhielt der SA oder SS beizutreten. Noch ärger war dass er mit einer Jüdin verheiratet war. So wurde der Eingang zum Schloss mit dem Spruch “die Oppenheim, das Judenschwein, muss weg aus Stein”. Die Ehe wurde bald geschieden. Im Krieg war Graf Roland Panzerkommandant in Polen und hat sich dort geweigert 500 Juden erschießen zu lassen. Dabei wäre er beinahe von den Nazis verurteilt worden. Später hatte er wieder Glück als er auf dem Weg nach Stalingrad an Typhus erkrankte und nach Hause geschickt wurde. Im Schloss durfte er da aus Sicherheitsgründen schon nicht mehr wohnen, konnte sich aber ins gräfliche Jagdhaus in Dürrenhembach vor den Toren Nürnbergs zurückziehen. Nach 1945 wurde das Jagdschloss zum exklusiven Erholungsort für privilegierte Pressevertreter.

 

Faber Castell Jagdschloss in Dürrenhembach

Zwischen 1874 und 1890 hatte Lothar von Faber weitreichend Grundbesitz in der Region zwischen Schwarzenbruck, Allersberg und Roth aufgekauft. Die Gegend wurde aufgeforstet und in Dürrenhembach ein Jagdschloss mit Nebengebäuden errichtet die noch heute im Familienbesitz sind. Vor vielen Jahren waren weite Ausflüge noch Luxus und so waren wir als Kinder häufig in Dürrenhembach da der Vater mit dem Gärtner, der ironischerweise den Namen Gräf hatte, befreundet war.


Gebäude des Jagdschlosses

Das Jagdschloss ist von weiten Wäldern umgeben. Fischteiche ziehen Wasservögel an. Ein Wildgehege mit halbzahmen örtlichem Wild ist noch immer eine Attraktion für Besucher. Während der Woche trifft man heute kaum andere Besucher. Die Gebäude aus der Anfangszeit sind alle erhalten, stehen unter Denkmalschutz und sind perfekt renoviert. Die gräfliche Familie betreibt dort noch immer Land- und Forstwirtschaft.


Einer der gräflichen Fischteiche

Es ist schwer vorstellbar dass es in dieser beschaulichen Landidylle nach Kriegsende nicht nur zu rauschenden Festen kam, die selbst in einer Affäre der örtlichen Gräfin Katharina mit einem der Nazi Kronzeugen führen sollte.


Das Faber Schloss in Schwarzenbruck

Das Schloss in Stein und das Jagdschloss in Dürrenhembach waren dem Bleistiftfabrikanten Lothar von Faber aber offenbar noch nicht ausreichend. In den Jahren 1883-1885 wurde daher in Schwarzenbruck noch ein zweigeschossiges Herrenhaus mit einem enormen Rundturm im Stil der Neurenaissance errichtet. Dieses Schloss ist heute ein Senioren- und Pflegeheim.



Faber-Castell Bleistiftfabrik heute

Leonardo da Vinci oder Albrecht Dürer zeichneten ihre Meisterwerke bis zum 16. Jh. noch mit Griffeln die Blei enthielten,. Der Name hat sich bis heute im deutschen Word Bleistift erhalten. Der Nachteil war, dass Blei nur wenig Farbe abgab so dass die Künstler kräftig drücken mussten um ihre Striche zu Papier zu bringen. Die Tradition der Bleistiftproduktion geht in Nürnberg mindestens bis auf das Jahr 1662 zurück. Damals wurde Friedrich Staedtler (1636-1689) in den Annalen der Stadt als "Bleyweißstefftmacher" erwähnt. Sein Grab ist auf dem mittelalterlichen Nürnberger Rochusfriedhof ist noch heute zu bestaunen. Ob die Verzierung mit einem Bleistift auch schon mehr als 400 Jahre alt ist ist zu bezweifeln.


Grab von Friedrich Staedtler, dem ersten bekannten Bleistiftproduzenten in Nürnberg

Schon 1550 war in Borrowdale in England Graphit als "schwarzes Blei" für Stifte verwendet worden. Allerdings war es äußerst brüchig. Die Lösung war die Vermischung mit Ton. Durch das Mischungsverhältnis konnten verschiedene Härtegrade für die Stifte eingestellt werden. Die damaligen Bleistiftmacher kamen aus dem Schreinerhandwerk und legten zunächst bei der Bleistiftproduktion Graphitstäbchen lose in einen Halter. Friedrich Staedtler entstammte aber einer Gold- und Silberdrahtzieherfamilie und war der Erste, der damit begann die Graphitstäbchen mit dem Holzmantel zu verleimen.

Mühlgebäude an der Rednitz in Stein


Durch die mittelalterlich Handelsordnung hinkten die Nürnberger Bleistiftmacher der Entwicklung lange hinterher. Die Bleistiftherstellung zählte zu den gesperrten Handwerken wodurch Lehrlinge, Gesellen und Meistern die Stadt ohne Erlaubnis des Rats nicht verlassen durften. Dies sollte verhindern dass die zeitgenössischen Produktionstechniken die Stadtmauern nicht verließen. Dadurch kamen aber auch keine technischen Neuerungen in die Stadt. Erst 1785 wurde die Handwerksordnung gelockert. Mühlen entlang des Flusses konnten für das Mahlen des Graphits und zur Holzbearbeitung genutzt werden.

Faber-Castell Bleistiftfabrik

Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Bayern 26 kleinere und größere Bleistiftfabriken. Allein 23 davon hatten ihren Sitz in Nürnberg und Umgebung. 1906 wurden mit 4.000 Arbeitenden 400 Millionen Bleistifte hergestellt. Dazu kamen 6000 Mitarbeitenden bei Zulieferbetrieben. Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es elf Bleistiftfirmen in Nürnberg. Firmen wie Staedtler, Faber-Castell, Lyra oder Schwan-Stabilo produzieren hier noch heute.


Vorstadtatmosphäre in Stein

Heute ist die Umgebung des Schlosses der Schriftsteller zu einer typisch deutschen Vorstadttristesse verkommen. Gesichtslose Wohnblocks wechseln sich ab mit Parkplätzen, Garagenreihen und billigen Shoppingparadiesen. Billige Metallabsperrungen und Zäune und Verbotsschilder bestimmen das Bild. Selbst die Mülleimer sind durch hohe Zäune vor Mülldieben gesichert.


Vorstadtatmosphäre in Stein

Ich hätte zu gerne gefragt wem hier die Bedeutung des monumentalen Schlosses für die Entwicklung des internationalen Rechts und als Bleibe einer Schar internationaler Schriftsteller noch bewusst ist. Menschen auf der Straße sieht man selbst bei schönem Wetter hier aber kaum. Sie verschwinden direkt aus ihren Autos in den Hauseingängen. Läuft man an den Wohngebäuden entlang dann sind misstrauische Gesichter auf den Unbekannten mit der Kamera gerichtet. Blickt man zurück dann schließen sich die Gardinen schnell wieder.


Vorstadtatmosphäre in Stein

Schließlich wurden zwölf der Angeklagten zum Tode durch Erhängen verurteilt, sieben zu Freiheitsstrafen zwischen 10 Jahren und lebenslang und die übrigen wurden freigesprochen. Nach dem Hauptprozess folgten zwischen 1946 und 1949 12 weitere Prozesse vor US-Militärtribunalen.


Friedhofskapelle des mittelalterlichen Rochusfriedhofs vor den Stadttoren Nürnbergs

Die Kriegsverbrecherprozesse sollten nach allgemein gültigen, anerkannten rechtlichen Regeln abgehalten werden. Jeder Eindruck einer Racheaktion sollte damit vermieden werden. Allerdings zeigen schon die unterschiedlichen Urteile beim Hauptprozess gegenüber der plötzlichen Gnadebereitschaft bei den Nachfolgeprozessen dass Recht entsprechend dem Willen der Machthabenden beugbar ist. Da mittlerweile der vormalige Verbündete Sowjetunion zum Feind geworden war, wollte man lieber ein starkes und zuverlässiges Deutschland im eigenen Lager. Deshalb wurden die meisten Angeklagten der Nachfolgeprozesse, etwa die Manager der IG Farben, Krupp oder des Flick Konzerns, Angehörige des Nazi Gerichtssystems und sogar SS Verantwortliche von Massenerschießungen, selbst wenn sie zu kurzen Haftstrafen oder selbst zum Tod verurteilt wurden, nach relative kurzer Zeit frei gelassen.


Rochusfriedhof

Lange wurde die historische und völkerrechtliche Bedeutung der Nürnberger Prozesse unterschätzt. Kritik bezeichnete die Prozesse als Siegerjustiz. Schließlich widersprach die Verfahrenspraxis einem etabilierten juristischen Grundsatz dass Gesetze nicht nach dem Tatbestand erlassen werden dürfen. Ein anderer Hauptkritikpunkt war wohl dass keine Deutschen am Verfahren beteiligt waren. Mann hatte wohl daraus gelernt dass nach Kriegsende 1918 ein Kriegsverbrecherprozess vor deutschen Gerichten zu keinerlei Ergebnis geführt hatte. Es hätte aber auch wohl keinen Zweifel an der Schuld der Angeklagten geben können. Das Ausmaß der Taten war eher so grauenhaft dass es jede Vorstellung einer sinnvollen Verteidigung zweifelhaft erschien.


Rochusfriedhof

Die Erinnerung an die Prozess verblasste über die Jahre. Nach dem Ende der Prozesse stellte die bayrische Justizverwaltung den Ursprungszustand des Saals 600 wieder her und die vergrößerte Pressetribüne wurde entfernt.

Zugangstor zur Altstadt mit dem Wappen der freien Reichsstadt Nürnberg

In Nürnberg wurde mit dem Internationalen Militärgerichtshof erstmals die Idee eines „Weltstrafgerichtshofs“ umgesetzt. Die damals entwickelten Grundprinzipien wurden als „Nürnberger Prinzipien“ übernommen und bildeten die Grundlage der modernen internationalen Strafjustiz.


Die Frauenkirche auf dem Hauptmarkt in Nürnberg wurde zur Aufbewahrung der kaiserlichen Reichsintarsien gebaut. Die Stadt wollte Kaiser Karl IV damit danken dass er ihr erlaubt hat das an dieser Stelle befindliche jüdische Ghetto zu räumen. Hunderte jüdische Bewohner vielen dem Progrom zum Opfer


GRUNDSATZ I
Jede Person, die eine Handlung begeht, welche nach dem Völkerrecht ein Verbrechen darstellt, ist hierfür verantwortlich und unterliegt der Bestrafung.
GRUNDSATZ Il
Die Tatsache, dass das innerstaatliche Recht keine Strafe für eine Handlung vorsieht, die nach dem Völkerrecht ein Verbrechen darstellt, befreit die Person, welche diese Handlung begangen hat, nicht von ihrer Verantwortlichkeit nach dem Völkerrecht.
GRUNDSATZ Ill
Die Tatsache, dass eine Person eine nach dem Völkerrecht als Verbrechen geltende Handlung als Staatsoberhaupt oder staatlicher Verantwortungsträger begangen hat, befreit diese Person nicht von
ihrer Verantwortlichkeit nach dern VöIkerrecht.
GRUNDSATZ IV
Die Tatsache, dass eine Person auf Befehl ihrer Regierung oder eines Vorgesetzten gehandelt hat befreit diese Person nicht von ihrer Verantwortlichkeit nach dem Völkerrecht, vorausgesetzt, sie hatte tatsächlich die Möglichkeit einer moralischen Entscheidung.
GRUNDSATZ V
Jede Person, die eines Verbrechens nach dem Völkerrecht angeklagt ist, hat das Recht auf ein faires Verfahren nach Maßgabe der Tatsachen und des Rechts.
GRUNDSATZ VI
Die folgenden Verbrechen sind als Verbrechen nach dem Völkerrecht strafbar:
a) Verbrechen gegen den Frieden:
i) Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Durchführung eines Angriffskriegs oder eines Krieges unter Verletzung internationaler Verträge, Abkommen oder Zusicherungen;
ii) Beteiligung an einem gemeinsamen Plan oder an einer Verschwörung zur Ausführung einer der unter Ziffer (i) genannten Handlungen.
b) Kriegsverbrechen: Verletzungen der Kriegsgesetze oder -gebräuche, darunter, ohne darauf beschränkt zu sein, Ermordung, Misshandlung oder Deportation zur Sklavenarbeit oder zu einem anderen Zweck von Angehörigen der Zivilbevölkerung oder in besetzten Gebieten, Ermordung
oder Misshandlung von Kriegsgefangenen oder Personen auf hoher See, Tötung von Geiseln, Plünderung öffentlichen oder privaten Eigentums, mutwillige Zerstörung von Städten oder Dörfern oder jede durch militärische Notwendigkeit nicht gerechtfertigte Verwüstung.
c) Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Mord, Ausrottung, Versklavung, Deportation oder andere unmenschliche Handlungen, begangen an einer Zivilbevölkerung, oder Verfolgung aus politischen,
rassischen oder religiösen Gründen, wenn diese Handlungen oder Verfolgung in Ausführung eines
Verbrechens gegen den Frieden oder eines Kriegsverbrechens oder in Verbindung mit einem Verbrechen gegen den Frieden Oder einem Kriegsverbrechen begangen werden.
GRUNDSATZ VIl
Die Teilnahrne an der Begehung eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit im Sinne des Grundsatzes VI ist ein Verbrechen nach dem VöIkerrecht.


Kaiserburg Nürnberg

Viele dieser Punkte wären legale Anklagepunkte die man auf viele gegenwärtige Politiker anwenden könnte. Ein Anklagepunkt, der eindeutig fehlt, ist die Bereitstellung und Verbreitung von Waffen, die zur Ausführung einer der obigen strafbaren Aktionen dienen können. Damit könnte die internationale Waffenproduktion grundlegend kriminalisiert und auch die gewinnbringende industrielle Produktion von Vernichtungswaffen unter Strafe gestellt werden.


Kaiserburg Nürnberg

Als letzte Konsequenz der Nürnberger Prozesse wurde 1998 das Römische Statut verabschiedet. Es führte 2002 zur Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) in Den Haag. Damit wurde der Anspruch auf eine dauerhafte Rechtsinstanz für das Völkerstrafrecht erfüllt, auch wenn sich nicht alle Staaten, wie zum Beispiel die USA, der Rechtsprechung des ICC unterwerfen wollen. Das Völkerstrafrecht ist auch Teil nationaler Gesetzgebung, wie beispielsweise in Deutschland, wo die relevanten Verbrechen (Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen) seit 2002 im Völkerstrafgesetzbuch kodifiziert sind.


Eine Möglichkeit den Vorort Stein zu erreichen ist die vollautomatische und Fahrer-lose Nürnberger Metro, hier im Endbahnhof Röthenbach. Der anschließende Bus hält direkt vor dem Schloss 

Damit änderte sich auch der Blick auf den Veranstaltungsort. Die Zahl der Besucher aus dem ln- und Ausland die den Schauplatz der Prozess von 1945-1046 sehen wollten, stieg. Seit 2010 erinnert das „Memorium Nürnberger Prozesse" an die Bedeutung der Prozesse als Meilenstein des Völkerstrafrechts und als Synonym für das Ende der Straflosigkeit von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Benützt man dagegen die S-Bahn zum Bahnhof Stein dann hat man das Vergnügen auch die Vorstadtviertel inspizieren zu können

Quellen:
Uwe Neumahr, Das Schloss der Schriftsteller, C.H.Beck, 2023
Memorium Nuremberg Trials, The exhibition, catalogue
Informationspanele Memorium Nürnberg trials


Noch heute existierende Einschusslöcher an der Zeppelintribüne